Dass die Online Educa die Kontroverse nicht scheut, hat sie schon mehrfach bewiesen. Zum Beispiel 2007, als sie den Autor Andrew Keen mit seiner These 'The Cult of the Amateur: How Today’s Internet is Killing Our Culture' auf die Bühne holte. Kontrovers ging es auch dieses Jahr, am Abend des 3. Dezembers 2009, zu.
Und zwar in einem neuen, erfrischenden Format: einer Debatte nach englischer Art. Die Streitenden: Aric Sigman, Autor des Buches 'The Spoilt Generation', und Bruce Anderson, Journalist beim 'Independent', auf der einen Seite, – der WebZwoNuller Donald Clark und Jerry Michalski, Berater etwa von Best Buy, auf der anderen Seite. Die These, die zu diskutieren war, war keineswegs trivial: 'The increasing use of technology and social software is damaging students‘ minds and undermining the benefits of traditional methods of learning.'
Sigman zitierte neurologische und biologische Befunde, nach denen zu viel Technikgebrauch Menschen vereinsamen lasse und eine Gefahr für die kulturelle Entwicklung bedeute. Clark konterte mehr oder weniger ethnologisch – seine Kinder beobachtend – , vor allem aber konzentrierte er sich auf die Demontage von Sigman. Mit dieser schloss er sich dem Blog 'Bad Science' an, in dem Sigman als Wissenschaftler dargestellt wird, der die Forschung zugunsten seiner These auslege. Am Ende sollten die Kongressteilnehmer voten: Schadet der starke Gebrauch von Social Software und Technologie? Das Ergebnis: ein hauchdünner Vorsprung für die Social-Web-Fraktion, also Clark und Michalski: Er schadet nicht.
So unterhaltsam die Debatte war, so wenig erhellend blieb sie. Musste sie sogar. Denn wer kann die Antworten schon kennen auf eine Frage wie die gestellte. Die Analogie zur Erfindung des Telefons ist eine einleuchtende: Hat das Telefon dem zwischenmenschlichen Kontakt geschadet? Es hat ihn verändert, das kann man sagen, ja. Ohnehin war verwunderlich, dass nur eine knappe Mehrheit der Kongressteilnehmer im Gebrauch der Technologie keinen Schaden sah. Ein Blick in die Foren und ins Plenum ließ anderes vermuten. Ein Netbook oder Laptop nahezu auf jedem Kongressteilnehmerknie. Wer das nicht dabei hatte, hielt das iPhone gezückt. Eine Technologieveranstaltung wie sie im Buche steht.
Der Einsatz der Technik trieb auf der Online Educa bemerkenswerte Blüten. Zum Beispiel die Nutzung von Twitter. Bei einer Veranstaltung im Plenum erwies es sich als sinnig, dass der Moderator die Timeline zum Hashtag oeb2009 mitverfolgte und dort geäußerte Fragen an die Referenten weiterreichte. Interaktion, wo sonst hätte keine stattfinden können. In einer kleinen Parallelsession mit nur zehn Teilnehmern indes wirkte es bemüht. Der Moderator bemerkte ein Tweet, fragte nach, wer es geschrieben hat, derjenige zeigte auf, verschwand hernach mit seinem Kopf wieder hinterm Laptop. Der Moderator verlas das Gezwitscherte. Ein echter Wortbeitrag von einem vor Ort sitzenden Teilnehmer? Nein, lieber nicht, das wäre echt zu analog gewesen.