Kollaps oder Konsolidierung der e-Learning-Branche?- Noch nie ist die Kongressmesse Learntec ob Beantwortung dieser Frage mit mehr Spannung erwartet worden.Kein Wunder, blickt die Branche doch auf ein turbulentes Jahr zurück: Größen wie Trilog und M2S sind Konkurs gegangen,viele andere Anbieter vom Markt verschwunden. Zudem zeigten die widersprüchlichen Prognosen zum Wachstum und zur Akzeptanz von e-Learning (z.B.von KPMG und CGE&Y) vor allem eins: Genaues weiß man nicht ... Vorstellbar wär´s also gewesen, wenn Unternehmen das Vertrauen in e-Learning verloren hätten.
Unternehmen bleiben dran am Thema
Nach zwei Tagen Messe war das Durchatmen der Branche jedoch schon deutlich zu hören. 'Unser Stand ist voll', freute sich Astrid Tietgens, Geschäftsführerin der M.I.T newmedia GmbH, Friedrichsdorf. 'Manche Unternehmen haben die Ausschreibungsunterlagen direkt in der Hand', ergänzte Marketingleiterin Claudia Bednarek. Auch die nochmal angewachsene Besucherzahl sprach deutlich gegen Kollaps: 9.000 Teilnehmer hat die Messe- und Kongress-GmbH zwischen dem 5. und 8. Februar 2002 in den Karlsruher Hallen gezählt. 'Die Unternehmen bleiben dran am Thema e-Learning', zeigte sich Dieter Kern von Cap Gemini Ernst &Young (CGE&Y) überzeugt. Dennoch zeigte sich die Branche bescheidener und selbstkritischer als in den Jahren zuvor. Zweifel am Präfix 'e' wurden laut: So fragte Michael Haben von KPMG, wieviel 'e' Learning überhaupt vertrage, und auch Dr.Wolfgang Kraemer, Vorstandssprecher von imc, Saarbrücken, gab zu, dass man das 'e' zu sehr betont, das Learning jedoch vernachlässigt habe. Dementsprechend gab man sich Mühe, Technik nicht allein um der Technik willen zu präsentieren. 'Technology meets didactic', formulierte Kraemer und gab ein Beispiel aus dem Bereich der Lernplattformen: Während früher der Personalentwickler lediglich eine Angebotsstruktur, einen Katalog mit Lerninhalten, im LMS bereit gestellt habe, werde heute mit der Lernplattform echtes Learning-Management betrieben. Der Personalentwickler lege das Curriculum für den Lerner fest und mache klare Vorgaben - wie in der Schule. 'Es wird mehr Druck gemacht', sagte Kraemer, 'schließlich muss was rauskommen.'
Mit Best-Practices Zeit und Geld sparen
Die Wirtschaftlichkeit von e-Learning war ohnehin ein großes Thema. Kaum jemand, der noch bestreiten wollte, dass die Anfangsinvestitionen hoch sind. Um Zeit und Kosten bei der Konzeption und Einführung einer e-Learning-Lösung zu reduzieren, setzen Anbieter wie imc und M.I.T neuerdings auf so genannte Referenzmodelle. Hierbei handelt es sich um eine Form von Best-Practice-Lösungen für Kernprozesse des e-Learning wie Administration, Contenterstellung, Lernszenarien etc.. Mit diesen standardisierten Prozessbeschreibungen, die aus Erfahrungen mit bisher realisierten Projekten entwickelt wurden, muss nicht für jedes Unternehmen das Rad neu erfunden werden. Vielmehr kann auf den 'Prototyp' aufgesetzt und dann eine individuelle Anpassung vorgenommen werden. Die vorkonfektionierte Plattform-Lösung 'myILF', die M.I.T präsentierte, dient übrigens einem ähnlichen Zweck: out-of-the-box installieren, sofort in Betrieb nehmen, schnell Erfolgserlebnisse generieren.
Im Kommen: Customized Contents
Während im Bereich Technik also eher auf Standardisierungen gesetzt wird, ist im Contentbereich das Gegenteil angesagt. 'Customizing' heißt das Schlagwort, das die komplette Palette der Contententwicklung betrifft. 'Selbst bei Standardcontent wie Projektmanagement, Controlling für Nicht-Controller etc. nimmt die kundenindividuelle Anpassung zu', berichtete Christoph Laves von der Webacad, Eschborn, ein auf Management-Know-how konzentrierter Contententwickler. Aber auch das teure so genannte High-End-Quality-WBT mit einem Preis von 50.000 Euro pro Stunde Inhalt ist nach wie vor gefragt, wie Marcus Weniger, Geschäftsführer von HQ, Wiesbaden, bestätigte. Nämlich vor allem dann, wenn stabile Inhalte mit langer Gültigkeit vermittelt werden sollen. Daneben scheint sich jedoch ein neuer Contentbereich zu entwickeln: weniger multimedial, weniger teuer, aber auch customized. Gemeint sind Inhalte, die von den Unternehmen selbst gemacht werden. Nach Ansicht von Wolfgang Kraemer werden diese Inhalte in Zukunft 40 Prozent ausmachen. Auf Wunsch ihrer Kunden haben daher sowohl imc als auch M.I.T erstmals einfach zu bedienende Autorenwerkzeuge in ihre Lernplattformen integriert. 'Es zeigt den Reifegrad der Branche, wenn der Kunde auch etwas selbst machen kann', kommentierte Kraemer die wachsende Emanzipation auf Seite der Unternehmen.