Newsticker
Koalitionsvertrag: Bekenntnis zur Bildung - aber kein Budget
Die Mehrwertsteuererhöhung war in aller Munde und in allen Medien. Doch was wurde noch im Koalitionsvertrag festgeschrieben? Worauf haben sich die Regierungsparteien in punkto Weiterbildung geeinigt? Training aktuell beleuchtet die wichtigsten Änderungen - und hat sich im Parlament umgehört, ob die Fraktionen mit den Vereinbarungen zufrieden sind.
117 Seiten ist der Koalitionsvertrag stark, ganze drei Seiten davon widmen sich den Themen Bildung und Ausbildung. Immerhin: 'Bildung ist der Schlüssel zur Zukunft', haben sich die Regierungsparteien ins Stammbuch geschrieben. Und diese Bildung soll möglichst vielen Bürgern zuteil werden, so ihr Wunsch.
'Um Offenheit, Lernbereitschaft und Lernfähigkeit generationenübergreifend zu verbessern, muss die Weiterbildungsbeteiligung deutlich erhöht werden', fordert der Koalitionsvertrag. Insbesondere ältere Arbeitnehmer sollen durch Schulungen beruflich aktiv bleiben. Ziel der Bemühungen von Union und SPD: Die Weiterbildung soll 'mittelfristig zur 4. Säule des Bildungssystems' werden.
Weiterhin will die Regierung die Vielzahl der bestehenden Bildungsangebote durch eine 'Optimierung der Bildungsberatung' transparenter machen. Außerdem will der Bund die Qualitätssicherung von Weiterbildungsangeboten ausweiten, nennt hierfür jedoch keine konkreten Pläne.
Bildungssparen statt staatlicher Budgets
Grundsätzliche Bekenntnisse zur Bedeutung von Bildung gibt es im Koalitionsvertrag zuhauf - aber an öffentlichen Mitteln dafür wird wohl weiterhin Mangel herrschen. Die Finanzierung der Weiterbildungsangebote im außerschulischen Bereich haben die Regierungsparteien auf viele Schultern verlagert: Die Allgemeinheit, die Wirtschaft und der Einzelne müssten sich in 'angemessener Weise' beteiligen, heißt es. Der Staat will mit dem so genannten Bildungssparen ein neues Finanzierungsinstrument schaffen und zusätzlich das Vermögensbildungsgesetz novellieren. All das geschieht jedoch unter dem großen Stichwort 'haushaltsneutral', darf also nichts kosten.
Damit lebenslanges Lernen möglich wird, will die Koalition die Tarifparteien ermuntern, die Einrichtung von Bildungszeitkonten zu vereinbaren. Hier sollen Arbeitnehmer Überstunden und Urlaubstage sammeln und sie dann für Weiterbildungskurse verwenden. Der Staat will für die Insolvenzsicherung dieser Arbeitszeit- und Lernzeitkonten sorgen.
Berufliche Bildung bleibt Bundessache
Viel wird im Vertrag von der Bedeutung der beruflichen Weiterbildung gesprochen, doch in einem Kontext fehlt sie: als Mittel der aktiven Arbeitsmarktpolitik. Dass die Bundesagentur für Arbeit (BA) ihren rigorosen Sparkurs bei Weiterbildungen verlässt, darf nach der Lektüre des Koalitionsvertrages also nicht gehofft werden. Der Grund: Im Jahr 2006 ist erst einmal eine 'Wirksamkeitsanalyse' geplant, 2007 soll die Arbeitsmarktpolitik 'insgesamt grundlegend neu ausgerichtet werden', so die Regierungsgrundlage.
Besonders viel Kritik gab es von Gewerkschaften und Bildungsverbänden für die Föderalismusreform, die den Ländern bei Hochschulpolitik und schulischer Bildung mehr Kompetenzen zuspricht. Auf die außerschulische berufliche Bildung und die Weiterbildung haben die neuen Länderhoheiten aber keinen Einfluss: Sie sind und bleiben Bundessache.
Stimmen aus dem Parlament zum Koalitionsvertrag
Katherina Reiche, CDU/CSU, Vorsitzende der Arbeitsgruppe Bildung und Forschung der Bundestagsfraktion.
'Ich bin sehr zufrieden mit dem, was wir im Koalitionsvertrag zur beruflichen Bildung und zur Weiterbildung vereinbaren konnten. Lebenslanges Lernen ist ein Megathema, auf das sich unsere Gesellschaft vorbereiten muss. Deshalb wollen wir das Bildungssparen auf breiter Front etablieren. Für Arbeitgeber und Arbeitnehmer muss Weiterbildung selbstverständlich werden, der Staat wird mit diesem neuen Finanzierungsinstrument im Rahmen der Vermögensbildung Anreize schaffen.'
Priska Hinz, Bündnis 90/Die Grünen, bildungspoltische Sprecherin der Bundestagsfraktion.
'Wir begrüßen das Bildungssparen, das im Koalitionsvertrag festgelegt wurde. Geld in Köpfe und nicht mehr in Beton, ist eine Forderung von Bündnis 90/Die Grünen. Fraglich bleibt aber, wie viel Geld hier in die Hand genommen wird.
In vielen Punkten gehen uns die Vereinbarungen nicht weit genug. Bei der Weiterbildung müssen sozial benachteiligte Gruppen stärker als bisher berücksichtigt werden. Das ist aber nicht möglich, wenn Schwarz-Rot das Vermögensbildungsgesetz nur 'haushaltsneutral' novellieren will. Insbesondere die Frauen als Zielgruppe für Weiterbildung fehlen völlig.'
Hellmuth Königshaus, FDP, bildungspolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion.
'Wir sind mit dem Koalitionsvertrag in Bezug auf Bildung und Ausbildung grundsätzlich nicht zufrieden. Die entscheidende Bedeutung der Bildung und Ausbildung für die Zukunft unserer Gesellschaft wird nicht hinreichend deutlich. Der Stellenwert der Bildung in der Bundespolitik ist schon durch die Stärkung der Länderrolle in der Schul- und Hochschulpolitik geschwächt. Ein schlechter Start für Frau Schavan.
Aus unserer Sicht gibt es jedoch gerade im Bereich der Berufs- und Weiterbildung einige erfreuliche Ausnahmen. So bewerten wir die Einführung des Bildungssparens und die Insolvenzsicherung von Bildungskonten positiv. Es fehlen hier aber klare Zielvorgaben: Vollmundig wird die Weiterbildung zur 4. Säule des Bildungssystems erklärt. Dies ist richtig und notwendig. Leider fehlen konkrete Vorschläge zur Finanzierung, die über das Bildungssparen hinausgehen.'