Seit acht Jahren untersucht der Horizon Report die Trends im technikbasierten Lernen. Hauptverantwortlich für die jährlichen Vorhersagen ist Larry Johnson, CEO der Nonprofitorganisation New Media Consortium (NMC). Mit Training aktuell spricht er über echte Trends, falsche Modewörter und die Macht von Tools, die Menschen miteinander verbinden.
Sie sind Keynote-Speaker auf der Online Educa 2010. Welche Trends werden Sie vorstellen?Ich werde darüber sprechen, was ich in Jahren der Forschung für das Horizon-Projekt gelernt habe, über die wirklich großen Trends in Sachen Bildungstechnologie. Das sind gar nicht so viele. Nur etwa sieben.
Zum Beispiel?Eine der großen Veränderungen im technikbasierten Lernen ist die Entdeckung der dritten Dimension: 3D-Videos, gestenbasiertes Computing, Augmented Reality. Ein weiterer Trend ist, dass Netzwerke immer sozialer werden. Es geht immer mehr um Personen und immer weniger um Dinge oder Dateien. Ganz wichtig ist Mobile Computing. Schätzungen zufolge gehen 2012 zwei von drei Menschen mobil ins Internet. Das verändert alles. Bisher nutzen wir das vor allem privat, aber wir wollen dieselbe Leichtigkeit auch, wenn es um Lernen am Arbeitsplatz geht.
Sind das alles wirklich Trends und nicht nur Modewörter?In Sachen Lerntechnik gibt es viel zu viele Modewörter. Web 2.0 zum Beispiel. Das war nur ein Ausdruck, den Tim O'Reilly in einer Rede gebraucht hat. Aber jeder verwendet ihn und jeder in einem anderen Sinn. Auch E-Learning ist so ein Begriff. Er hilft uns nicht weiter, weil Leute dasselbe sagen und verschiedenes meinen. Oder 4G für die neue Generation von Mobiltelefonen. Das ist Marketing-Sprache, sonst nichts. Ich versuche, diese Wörter zu vermeiden.
Ist nicht auch Just-in-time-Lernen, von dem der Horizon Report spricht, so ein Modewort? Ich denke nicht. Der schnelle, direkte Zugriff auf Wissen – insbesondere von mobilen Geräten aus – hat einen sehr großen Einfluss auf das Lernen. Besonders auf das informelle Lernen, also das, was gute Mitarbeiter sowieso die ganze Zeit tun, wenn sie sich informieren. Oder was wir privat machen, wenn wir uns zum Beispiel für Fotografie interessieren und lesen, wie das geht. Oder wenn wir heimwerken wollen und uns schlau machen, wie man Dinge baut. Man lernt, was man braucht, wenn man es braucht.
Können Unternehmen diese Lernform managen? Unternehmen können nur formales Wissen managen: konkrete Lösungen für konkrete Probleme, einen Drucker reparieren etwa. Informelles Lernen lässt sich nicht verwalten.
Auch nicht mit Social Media?Ich halte es für keine gute Strategie, wenn Unternehmen Social Media für ihr Lernmanagement verwenden wollen. Soziale Netzwerke sind sozial: Es geht darin um Familie und Freunde, daher das Engagement der Teilnehmer. Arbeitgeber können nicht dasselbe erwarten.
Schrecken deshalb viele Unternehmen vor den Social Media zurück? Die Sache mit sozialen Netzwerken ist die: Es ist vollkommen egal, was Unternehmen davon halten. Unternehmen, die Menschen erreichen wollen, die all die Informationen, Beziehungen, Bewertungen nutzen wollen, die müssen einfach mitmachen. Übrigens: Auch wenn sie nicht in Social Media aktiv sind, können andere darin über sie reden. Wenn zum Beispiel ein Kunde unzufrieden ist und sich im Netzwerk beschwert, dann greifen das Tausende auf. Reagieren kann nur, wer es mitkriegt. Bei Social Media geht es also nicht um Gewinn, sondern um eine bessere Kundenbeziehung.
Wie sozial wird das technologiebasierte Learning künftig noch? Soziale Technologien sind eine große Sache, vielleicht die größte überhaupt. Die Medien und mit ihnen das Lernen werden immer noch sozialer. Facebook ist nur ein Anfang, ein Weg sich zu verbinden, Dinge zu teilen. Es braucht nicht viel, um eine Gruppe von Gleichgesinnten aufzumachen. Bei politischen Gruppen etwa ist es phänomenal effektiv. Und das betrifft auch die Wirtschaft. Unternehmen müssen aufpassen: Die Leute nehmen nicht mehr alles hin, sie fangen an, sich zu wehren.