Geschichtenerzähler im Wandel der Zeit

„Sej a Mensch“ – drei Worte in Jiddisch, die Marcel Reif der Welt schenkte. Es sind nicht seine Worte, sondern die seines Vaters Leon. Marcel Reif gab sie preis anlässlich einer Rede im Bundestag Ende Januar 2024 zum „Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus“. Und es sind diese drei Worte und die dazugehörige Rede, die der Journalist und Laudator Richard C. Schneider hervorhebt, als Marcel Reif auf der Convention der German Speakers Association mit dem Deutschen Rednerpreis geehrt wird.

„Ich wollte die Rede im Bundestag nie halten“, bekennt Marcel Reif anschließend vor den 250 Teilnehmenden in München. Er wolle nicht Handlungsreisender in Sachen überlebende Holocaust-Opfer sein, nicht Sprachrohr seines Vaters. Denn dieser hat zeit seines Lebens geschwiegen über das, was er erleben musste. Erst nach dem Tod seines Vaters durch Gespräche mit seiner Mutter verstand der Fußballkommentator: Sein Vater hatte eben doch gesprochen. „Sei ein Mensch“ war das Destillat des Erlebten, seiner Rettung durch den späteren Krupp-Manager Berthold Beitz aus einem Todeszug Richtung Vernichtungslager, erzählt Marcel Reif bei der Gala im Leonardo Royal Hotel, wo er jetzt geehrt wird.

Rednerpreis für Kommentatorlegende

Annalena Baerbock weinte, als Marcel Reif seine Rede im Bundestag hielt. Abertausende lachten, als Reif durch eine kommentatorische Meisterleistung zur Rednerlegende wurde. 1998, als Borussia Dortmund gegen Real Madrid antreten sollte, kippte das Tor schon vor dem Spiel Richtung Tribüne. 76 Minuten hatten Reif und sein Co-Kommentator im Studio, Günther Jauch, zu überbrücken, bis das Spiel starten konnte. Und lieferten sich ein höchst amüsantes Wortgeplänkel mit Kalauern und Sprüchen. „Noch nie hätte ein Tor einem Spiel so gutgetan wie heute“, uzte Reif, der bis heute etwa 1.500 Fußballspiele kommentierte. Auch das ist eine Leistung, die Reif in den Augen der GSA zu einem verdienten Empfänger des Rednerpreises macht.

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