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Übersicht AnsprechpartnerBeitrag von Horst Lempart aus Training aktuell 05/24, Mai 2024
Neulich war ich Gast in einem Hotel. Zimmer, Restaurant, Spa-Bereich: alles sehr geschmackvoll und in tadellosem Zustand, geradezu perfekt – bis ich unter die Dusche springen wollte. Das Duschgel suchte ich vergebens, und auch der Bademantel war nicht zu finden. Also rief ich an der Rezeption an und bat um beides. Es dauerte keine drei Minuten und der Service stand mit dem Bademantel, einem Körperpflege-Set und drei Pralinen vor meiner Tür – einer kleinen Entschuldigung des Hauses für die Unachtsamkeit. Ich fand das beeindruckend. Für mich eine exzellente Reaktion auf das Unperfekte.
Dass das Unvollkommene zum Leben dazugehört, wird in der heutigen Gesellschaft gerne einmal verdrängt: Nicht nur Leistungen sollen perfekt sein, es geht auch um die perfekte Persönlichkeit. Das fängt bei exzessivem Körperkult an (wie er etwa auf Schönheitsfarmen oder in Bodybuilding-Centern und Piercing- und Tattoo-Studios betrieben wird) und zieht sich bis in die sozialen Netzwerke, in denen sich jeder und jede ins perfekte Licht rücken will und kann: der perfekte Urlaub, der perfekte Freund, das perfekte Kind.
Und selbstverständlich darf auch der perfekte Job nicht fehlen, denn Jobs müssen heute mehr sein als Beruf, nämlich Berufung. Perfektionisten im Job können wahre Qualitätstreiber sein – oder Entscheidungsverhinderer. So werden viele Projekte oder Ergebnisse endlos hinausgezögert, weil sie eben noch nicht „perfekt“ sind. Gut – selbst sehr gut – kann für diese Menschen nie gut genug sein. Denn immer ploppt die Frage auf: Geht es wirklich nicht noch ein bisschen besser? Und das, obwohl diese Frage ökonomisch meist eher unsinnig ist – sowohl was die Zeit- als auch die Energieressourcen angeht: 80 Prozent Einsatz für die letzten 20 Prozent Ergebnis, das Pareto-Prinzip lässt grüßen.
Im Extremfall kann Perfektionsstreben sogar zwanghafte Züge annehmen, wenn zum Beispiel innere Antreiber wie „Sei perfekt“ oder „Streng dich an“ massiven Druck ausüben. Dies kann eine große Belastung für die Betroffenen sein, die nicht selten von der Angst beherrscht werden, die Kontrolle zu verlieren. Doch das muss nicht so sein: Ein stabiler Selbstwert ist eine günstige Voraussetzung, um nicht in die Perfektionismusfalle zu treten. Coachs unterstützen dabei, diesen Selbstwert-Schatz zu bergen: Ich bin zwar nicht perfekt, aber super gut gelungen!
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