Reflexion

Denkimpuls
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Zu gut, um perfekt zu sein

Egal ob Leistungen, Ergebnisse oder die eigene Persönlichkeit – heutzutage muss alles perfekt sein. Coach und Supervisor Horst Lempart hält dies nicht nur für ökonomisch unsinnig, sondern mitunter auch für psychisch belastend – und plädiert daher für eine Würdigung des Unperfekten.

Neulich war ich Gast in einem Hotel. Zimmer, Restaurant, Spa-Bereich: alles sehr geschmackvoll und in tadellosem Zustand, geradezu perfekt – bis ich unter die Dusche springen wollte. Das Duschgel suchte ich vergebens, und auch der Bademantel war nicht zu finden. Also rief ich an der Rezeption an und bat um beides. Es dauerte keine drei Minuten und der Service stand mit dem Bademantel, einem Körperpflege-Set und drei Pralinen vor meiner Tür – einer kleinen Entschuldigung des Hauses für die Unachtsamkeit. Ich fand das beeindruckend. Für mich eine exzellente Reaktion auf das Unperfekte.

Dass das Unvollkommene zum Leben dazugehört, wird in der heutigen Gesellschaft gerne einmal verdrängt: Nicht nur Leistungen sollen perfekt sein, es geht auch um die perfekte Persönlichkeit. Das fängt bei exzessivem Körperkult an (wie er etwa auf Schönheitsfarmen oder in Bodybuilding-Centern und Piercing- und Tattoo-Studios betrieben wird) und zieht sich bis in die sozialen Netzwerke, in denen sich jeder und jede ins perfekte Licht rücken will und kann: der perfekte Urlaub, der perfekte Freund, das perfekte Kind.

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Perfekt in allen Lebenslagen

Und selbstverständlich darf auch der perfekte Job nicht fehlen, denn Jobs müssen heute mehr sein als Beruf, nämlich Berufung. Perfektionisten im Job können wahre Qualitätstreiber sein – oder Entscheidungsverhinderer. So werden viele Projekte oder Ergebnisse endlos hinausgezögert, weil sie eben noch nicht „perfekt“ sind. Gut – selbst sehr gut – kann für diese Menschen nie gut genug sein. Denn immer ploppt die Frage auf: Geht es wirklich nicht noch ein bisschen besser? Und das, obwohl diese Frage ökonomisch meist eher unsinnig ist – sowohl was die Zeit- als auch die Energieressourcen angeht: 80 Prozent Einsatz für die letzten 20 Prozent Ergebnis, das Pareto-Prinzip lässt grüßen.

Perfektionisten im Job können wahre Qualitätstreiber sein – oder Entscheidungsverhinderer. So werden viele Projekte oder Ergebnisse endlos hinausgezögert, weil sie eben noch nicht „perfekt“ sind.

Im Extremfall kann Perfektionsstreben sogar zwanghafte Züge annehmen, wenn zum Beispiel innere Antreiber wie „Sei perfekt“ oder „Streng dich an“ massiven Druck ausüben. Dies kann eine große Belastung für die Betroffenen sein, die nicht selten von der Angst beherrscht werden, die Kontrolle zu verlieren. Doch das muss nicht so sein: Ein stabiler Selbstwert ist eine günstige Voraussetzung, um nicht in die Perfektionismusfalle zu treten. Coachs unterstützen dabei, diesen Selbstwert-Schatz zu bergen: Ich bin zwar nicht perfekt, aber super gut gelungen!

Der Autor: Horst Lempart ist Coach, Supervisor und Speaker. Er hilft seinen Coachees dabei, die eigenen Überzeugungen aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten und sich so aus festgefahrenen Situationen zu befreien. Er führt eine eigene Praxis in Koblenz und hat zahlreiche Fachartikel und Bücher rund um das Thema Coaching veröffentlicht. Kontakt: horstlempart.de

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