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Übersicht AnsprechpartnerBeitrag von Horst Lempart aus Training aktuell 11/23, November 2023
Neulich saß ein Klient bei mir, der sehr geübt war im positiven Denken: „Nach Regen folgt Sonne, am Ende wird alles gut, das Glas ist halb voll.“ Er folgte der Devise, dass das eigene Denken die Welt verändert. „Achte auf deine Gedanken, denn daraus wird dein Handeln“, so lautete seine verkürzte Zusammenfassung der Talmud-Lehre. Trotzdem wollte sich die Zufriedenheit bei ihm nicht so richtig einstellen, denn: Mit dem Handeln hatte er es nicht so. Er war eher ein Denker, ein Reflexionsexperte. Der Mann erinnerte mich an einen hoffnungsvollen Lotto-Spieler, der sich über Jahre hinweg einredet: „Irgendwann müssen meine Zahlen doch gezogen werden.“ Vor lauter positivem Denken verliert er jedoch eine wichtige Voraussetzung aus den Augen: seinen Lotto-Schein tatsächlich abzugeben.
Bei den meisten meiner Klientinnen und Klienten erlebe ich kein Wissens- oder Denkdefizit, sondern ein Handlungsdefizit. Kurz gesagt: Sie bekommen den Arsch nicht hoch. Offenbar sorgen die schweren Gedanken für eine tragische Form der Sesshaftigkeit. Ich beschreibe diese Dysbalance zwischen Denken und Handeln als „ADHS“: Aktivitätsdefizit und Hyperdenk-Syndrom. So lustig das klingt, so fatal sind die Folgen. Unser Denken ist darauf ausgerichtet, Wissen in Handeln umzusetzen. Von Natur aus ist der Mensch ein Macher, weniger ein Denker. Früher war das überlebenswichtig. Zupacken statt Philosophieren sicherte die Existenz.
Manchmal steht das Aktivitätsdefizit im Zusammenhang mit einer fälligen Entscheidung: Soll ich, oder soll ich nicht? Soll ich mich für Option A oder B entscheiden? Um diesen Knoten zu lösen, halte ich es mit meinen Klientinnen und Klienten ganz einfach: Sie würfeln die Entscheidung. Daraus ergeben sich immer wieder spannende Reaktionen bis hin zu einem „Nein! Dann bekomme ich womöglich ein Ergebnis, das ich gar nicht will“ – womit die Antwort klar wäre. Die Würfel sind meistens schon gefallen, bevor das Spiel losgeht.
Doch häufig sind nicht konkrete Entscheidungen, sondern ist einfach die Fülle an Gedanken Auslöser für eine Trägheit im Tun. Es wird zu viel nachgedacht, anstatt in die Aktion zu kommen – und wenn dies nur bedeuten würde, joggen zu gehen. Schon eine kleine Mobilisierung kann viel bewirken: Denn wenn man sich auf die Socken gemacht hat und ausgepowert nach Hause kommt, sind die Gedanken meistens aufpoliert.
Wenn sich also mal wieder lähmende Gedanken einstellen – sind sie auch noch so positiv – lautet mein Rat: ins Tun kommen! Sich statt Gedanken lieber gutes Essen machen – und somit die Denk-Diarrhoe unterbrechen. Denken ist sicher hilfreich, zu viel Denken kann in die Hose gehen. Ganz nach Erich Kästner: Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.
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