2008 sind die Personalberater mit einem blauen Auge davon gekommen: Trotz Wirtschaftskrise konnten sie ihren Jahresumsatz um 8,5 Prozent steigern. 2009 gibt es für die Branche jedoch kein Entrinnen mehr, sie rechnet mit einem Umsatzeinbruch von 19,4 Prozent.
'Im vergangenen Jahr standen wir noch auf der Sonnenseite', zog Wolfgang Lichius Bilanz. Doch für das Jahr 2009 sieht der Vorsitzende des Fachverbands Personalberatung im Bundesverband Deutscher Unternehmensberater (BDU) dunkle Wolken. Der Grund: Die rund 20.000 Unternehmen der Branche bekommen die Krise stark zu spüren und rechnen mit einem Umsatzrückgang von 19,4 Prozent. Das ergibt die Studie 'Personalberatung in Deutschland', die der BDU am 5. Mai 2009 in Königswinter bei Bonn vorgestellt hat. 300 Personalberatungsgesellschaften hatten sich an der Umfrage beteiligt, die der Beraterverband jährlich durchführt und deren Ergebnisse er auf seiner Branchenveranstaltung, dem Personalberatertag, präsentiert.
Wirtschaftskrise und Umsatzeinbruch treffen im Falle der Personalberater eine Branche im Höhenflug: Seit fünf Jahren steigt der Jahresumsatz der Headhunter kontinuierlich von 750 Millionen Euro (2003) auf zuletzt 1,49 Milliarden im Vorjahr (2007: 1,37 Milliarden Euro). Dass dem Rekordumsatz von 2008 nun eine Talfahrt folgen soll, versetzt die Verbandsvertreter nicht in Panik: Die Branche hat Erfahrung sowohl mit großen Unsatzzuwächsen als auch mit großen Einbrüchen, wie die Studie zeigte.
Große Konjunkturabhängigkeit der Branche Insgesamt gleiche die Entwicklung der Branche einer Welle, erklärte Lichius mit einem Blick auf die Umsatzentwicklung in den vergangenen zehn Jahren. Hohen Wachstumsraten von bis zu 34,4 Prozent vor der Jahrtausendwende seien bereits drastische Einbrüche in den Jahren 2001 und 2002 gefolgt. 'Auch jetzt zeigt sich wieder, dass unsere Dienstleistung in besonderem Maße von der Konjunktur abhängt', erklärte Lichius, der zugleich Partner von Kienbaum Executive Consultants ist.
Die Kurve der allgemeinen Wirtschaftskonjunktur habe den gleichen Verlauf wie die Umsatzkurve der Personalberater, verdeutlichte er. 'Wir haben fünf fette Jahre hinter uns', resümierte Lichius. 'Jetzt können wir nur hoffen, dass nicht fünf magere Jahre folgen.'
Die Talfahrt beginnen die Personalberater mit einem Rekordergebnis: 1,49 Milliarden Euro verdienten sie 2008, das sind 8,5 Prozent mehr als im Vorjahr. Allerdings: „Der positive Start ins Geschäftsjahr 2008 sowie der Geschäftsverlauf des ersten Halbjahres wurden zusätzlich durch einen hohen Auftragsbestand verstärkt, den viele Marktteilnehmer noch aus 2007 ins neue Jahr mitnehmen konnten“, erklärte Lichius. Ab der Jahresmitte und vor allem im letzten Quartal 2008 bekamen die Personalberatungen dann die Auswirkungen der Finanzkrise zu spüren, so der Fachverbands-Vorsitzende.
Nachfragerückgang aus dem Fahrzeugbau
Besonders hart wird es im Jahr 2009 vermutlich diejenigen Personalberatungsunternehmen treffen, die viele Kunden aus dem Fahrzeugbau haben (erwarteter Nachfragerückgang minus 26,6 Prozent). Weitere Wackelkandidaten: Dienstleister für Kreditinstitute (minus 20 Prozent) und Maschinenbau (minus 18,5 Prozent). Als gute und weiterhin solvente Kunden sehen die Personalberater nur die öffentliche Verwaltung und das Gesundheits- und Sozialwesen. Hier erwarten sie nur leichte Rückgänge von minus 1,2 bzw. minus 0,4 Prozent. Einen minimalen Nachfrageanstieg trauen die Personalberater lediglich einer Branche zu: der Energie- und Wasserversorgung (plus 1,5 Prozent).
Um sich auf die sinkende Nachfrage vorzubereiten, drehen die Personalberatungen an der Kostenschraube. Vor allem die Branchenriesen mit einem Umsatz von mehr als fünf Millionen Euro wollen an den Lohnkosten sparen und 2009 Stellen abbauen. 38 Prozent planen Einsparungen bei den Beratern, 46 Prozent bei Researchern und 79 Prozent in der Verwaltung.
Ergänzende Dienstleistungen werden wichtiger
Geringere Kosten ist eine Strategie. Eine andere: höhere Einnahmen durch ein größeres Angebot. 88,4 Prozent des Gesamtbranchenumsatzes wurden 2008 mit der Suche und Auswahl von Fach- und Führungskräften erwirtschaftet. Weil diese Kernleistung in Zeiten schwacher Konjunktur seltener nachgefragt wird, setzen vor allem kleine und mittelgroße Unternehmen mit einem Jahresumsatz von bis zu fünf Millionen Euro auf ergänzende Dienstleistungen. Jedes vierte Unternehmen plant eine Erweiterung seines Engagements im Segment Change-Management, jedes fünfte hofft auf weitere Kunden im Bereich Karriereberatung/Führungskräftecoaching.
In einem Punkt müssen künftig alle Personalberatungsunternehmen nachbessern: bei der Akquise. Das war ein Resümee der Diskussion 'Personalberatung im Wandel – Branchenexperten im Dialog', die auf dem Personalberatertag die Zukunft der Zunft ins Visier nahm. In den vergangenen Jahren wurde die Branche von den Auftraggebern umschwärmt, jetzt müssen die Berater deren Nähe suchen. Allerdings: 'Wir haben verlernt, aktiv zu akquirieren', bedauerte Dr. Dieter Unterharnscheidt, Mitglied der Geschäftsführung von Spencer Stuart, Frankfurt. Die Strategie seines Unternehmen: 'Wir animieren unsere Mitarbeiter dazu, raus zu gehen, potenzielle Auftraggeber anzusprechen. Auch Kundenveranstaltungen spielen wieder eine größere Rolle.'
Die Krise bringt für die Personalberater eine zweite Herausforderung mit sich: 'Die Geschwindigkeit unternehmerischen Handelns hat zugenommen', hat Klaus Ewerth, Partner der Civitas International Management Consultants GmbH, beobachtet. Klienten, die selbst schnell entscheiden müssen, erwarten von ihren Dienstleistern eine prompte Reaktion. Eine Folge: 'Wenn der Auftrag erteilt ist, müssen die Berater sehr schnell agieren', beschrieb Lichius.
Die Bereitschaft zum Stellenwechsel ist gering
Eine schnelle Reaktion in Form von Kandidatenvorschlägen ist jedoch schwierig: 'Die Bereitschaft der Arbeitnehmer zum Arbeitgeberwechsel ist geringer geworden', so Lichius. Viele der Angesprochenen seien zögerlich, weil sie die Sicherheit der angebotenen Stelle nicht abschätzen könnten. Außerdem gebe es einige Kandidaten, die zuerst einen Sozialplan des Unternehmens abwarten wollten und auf eine Abfindung spekulierten, bevor sie sich einer neuen Position zuwendeten, ergänzte der stellvertretende Vorsitzende des Fachverbandes, Michael Heidelberger.
Trotz dunkler Wolken glauben die Personalberater daran, dass sich die Gewitterfront im Laufe des Jahres verziehen wird. Das zumindest legt der BDU-Geschäftsklimaindex für Personalberater nahe: Das Stimmungsbarometer der Branche, das alle zwei Monate erhoben wird, lag im Februar 2009 bei minus 29,1. Schon im April kletterte es auf minus 14,4. Gut ein Viertel aller befragten Unternehmen erwarten bereits in den kommenden sechs Monaten eine 'günstigere Geschäftsentwicklung'.
Ob der Aufschwung so schnell kommt, bleibt abzuwarten. Langfristig sieht Lichius jedoch wieder Sonnenschein am Horizont: 'Der demografische Wandel und der damit einhergehende Fachkräftemangel werden uns in die Hände spielen', hofft er.