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Arbeitsalltag statt innere Einkehr: Simulations-Training im Kloster

Im Kloster lässt sich Abstand vom Alltag gewinnen? Nicht so bei Hubert Hölzl. Der Führungskräftetrainer schickt seine Teilnehmer zwar gern in die Abgeschiedenheit, lässt sie dort aber eine schwierige Projektaufgabe lösen – und das unter den rauen Bedingungen des Führungsalltags.

Idylle pur in der sanften Hügellandschaft Oberschwabens: Das Tagungshotel in der Klosteranlage Obermarchtal lädt zu Ruhe und innerer Einkehr ein. Doch für die Teilnehmer des Führungskräfte-Seminars von Hölzl & Partner ist es bald nach der Ankunft vorbei mit der Gelassenheit: Statt Kontemplation erwartet sie ein dreitägiges Seminar mit straffem Zeitplan und einem laut Veranstalter 'radikalen Praxisbezug'.

Kern des Trainingsansatzes von Hubert Hölzl, Inhaber des Beratungsunternehmens mit Sitz in Lindau am Bodensee, ist es nämlich, Führungsverhalten an einer im Seminar gestellten, schwierigen Projektaufgabe zu schulen. Und das in einer Atmosphäre, die den rauen Bedingungen des Arbeitsalltags in nichts nachsteht. 'Es gibt Leistungsbeurteilungen, Stress-Situationen und Arbeitszeiten bis in den fortgeschrittenen Abend', nennt Hölzl Beispiele für die gewollte Ungemütlichkeit.

Am ersten Seminartag werden unter den acht bis zwölf Teilnehmern drei bis vier Teams gebildet. Die Teammitglieder einigen sich sodann, wer von ihnen als Teamleiter agiert und wer in die Rolle von 'einfachen Mitarbeitern' schlüpft – für Führungskräfte, die zuvor alle auf einem ähnlichen Level standen, ist das ungewohnt, so Hölzl: 'Plötzlich verspüren sie eine unmittelbare Hierarchie.' Um noch näher an den Arbeitsalltag heranzukommen, setzt der Trainer, der selbst Diplom-Betriebswirt ist, auch finanzielle Instrumente ein: Jeder Teilnehmer zahlt zu Beginn des Seminars einen Beitrag von 40 Euro als 'Gesellschaftereinlage'. 'Am Ende gibt es aus diesem Stock Leistungsprämien – oder eben auch nicht.'

Sind die Teams gebildet, erteilt Hölzl den Projektauftrag: So sollen z.B. die Arbeitsteams eine soziale Einrichtung in der Umgebung kontaktieren, die dortige Führungskultur analysieren und mindestens eine Stunde lang vor Ort mitarbeiten. Binnen eineinhalb Tagen müssen die Teilnehmer den Auftrag erledigt und einen schriftlichen Bericht verfasst haben. Eine anspruchsvolle Aufgabe, sind doch die Leiter von Kindergärten, mobilen Sozialdiensten usw. nicht ohne Weiteres bereit, auf Anhieb Zeit für ein solches Projekt zu opfern ...

Kein Input, keine Moderation: Der Trainer schlüpft in eine neue Rolle

Die Aufgabe ist vor allem für den Teamleiter nicht leicht: Er muss sein Team vom Sinn der Aufgabe überzeugen, Rückfragen beantworten und Kritik der ihm unterstellten 'Mitarbeiter' einstecken. Im Unterschied zu üblichen Seminaren steht der Trainer jetzt nicht zur Verfügung. 'Wir agieren in der zentralen Praxis-Phase nicht als Erklärer und Moderatoren, sondern als unternehmerisch denkende Auftraggeber, die Leistung einfordern', verdeutlicht Hölzl die ungewöhnliche Rolle des Trainers. 'Die Teamleiter müssen die Lösungen selber finden.' Statt zu intervenieren, bleibt Hölzl im Hintergrund und beobachtet das Verhalten der Teilnehmer. Häufig zeige sich: Es kommt – gerade angesichts der Stress-Situation durch die nicht selbst gewählte Aufgabe – zu Machtkämpfen und Führungskonflikten innerhalb der Teams.

Diese Konflikte sind am dritten Tag des Seminars die Anknüpfungspunkte für Feedback-Runden: 'Da wirft z.B. der Teamleiter einem seiner Mitarbeiter mangelnde Unterstützung vor', berichtet Hölzl. 'Und der Mitarbeiter rechtfertigt sich damit, dass er mehrfach seine Hilfe angeboten habe, vom Chef aber ignoriert worden sei.' In der Analyse zeigt sich: Diese Situation, die auch im Arbeitsleben ständig vorkommt, kann dazu führen, dass der Mitarbeiter sich aus Enttäuschung in die innere Emigration zurückzieht und nicht mehr engagiert.

Ziel des Seminars ist es, dass die Führungskräfte ein Bewusstsein für solche Situationen und für ihre eigene Führungspersönlichkeit entwickeln. Ähnliches gilt für diejenigen Teilnehmer, die in der Rolle des Mitarbeiters Fehler der Führungskräfte selbst erfahren haben: Sie können sich laut Hölzl nach dem Seminar viel besser in die Lage ihrer Mitarbeiter versetzen. 'Das ist der Ausgangspunkt, das eigene Führungsverhalten zu ändern.'

Autor(en): (msc)
Quelle: Training aktuell 05/08, Mai 2008
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