Selbst wenn es zum Regierungswechsel kommt, ist das ADG nicht vom Tisch. Die Union wird zwar einen neuen Entwurf ausarbeiten. Doch auch dieser wird die Unternehmen nicht davon befreien, ihre Personalarbeit maßgeblich zu verändern.
Das umstrittene Antidiskriminierungsgesetz (ADG) ist am 17. Juni 2005 mit rot-grüner Mehrheit im Bundestag verabschiedet worden. Und zwar in einem zweiten Entwurf, nachdem der erste, den die Regierung im Januar 2005 präsentiert hatte, auf heftige Kritik sowohl der Opposition als auch der Wirtschaft gestoßen war. Mit dem Gesetz überführt Deutschland vier Anti-Diskriminierungsrichtlinien, die die EU erlassen hat, in nationales Recht. Unter anderem dienen die Richtlinien dem Schutz vor Benachteiligung im Berufsleben durch die Faktoren ethnische Zugehörigkeit, Alter, Geschlecht, religiöse und sexuelle Ausrichtung. Was die Kritiker am rot-grünen ADG-Entwurf erzürnte, war, dass die Regierung die Brüsseler Vorgaben in mehreren Punkten übererfüllte. Aus Sicht der Opposition ist Rot-Grün selbst im zweiten Entwurf noch über das Ziel hinausgeschossen, weshalb Union und FDP jetzt fest entschlossen sind, die Umsetzung via Bundesrat zu stoppen bzw. - sollte es im September zum Regierungswechsel kommen - ein neues ADG aufzulegen.
Handlungsbedarf auch beim Scheitern von Rot-Grün
Das aber sollte Personaler nicht dazu verführen, sich nun entspannt zurückzulehnen und einer vollkommen anders gearteten Unions-Soft-Version des ADG zu harren. Schlicht und einfach, weil der überarbeitete, derzeit aktuelle Entwurf des ADG im Hinblick auf arbeitsrechtliche Fragen (anders als im Zivilrecht!) ohnehin kaum noch über das hinaus geht, was Brüssel fordert.
Kurzum: Auch bei einem Wahlsieg der Union müssen Betriebe ihre Personalarbeit neu justieren. Und das so schnell wie möglich. Schließlich hat der Europäische Gerichtshof Deutschland bereits verklagt, weil die das Zivilrecht betreffende Richtlinie (sie wurde von Brüssel als erstes auf den Weg gebracht) immer noch nicht in nationales Recht überführt worden ist. Eine weitere Klage würde im diesjährigen Herbst folgen, wenn die das Arbeitsrecht tangierende Richtlinie bis dahin nicht umgesetzt ist.
Was in der bisherigen Debatte oft untergegangen ist: Die Brüsseler Richtlinien lassen teilweise nicht so viel Spielraum zu wie sich das mancher Kritiker wünscht. Ein Beispiel dafür ist die für den Kläger günstige Beweislastverteilung. Die Richtlinie besagt, dass der Arbeitgeber selbst beweisen muss, dass er nicht diskriminiert hat. Allerdings nur dann, wenn der Kläger anhand von Indizien belegen kann, dass höchstwahrscheinlich eine Diskriminierung stattgefunden hat. 'Einfach nur mit der Behauptung, z.B. aufgrund des Alters nicht eingestellt worden zu sein, wird keiner durchkommen,' präzisiert Professor Dr. Georg Thüsing, Arbeitsrechtsexperte an der Uni Bonn. Demnach ist wohl auch die Furcht, dass Deutschalnd eine Klageflut ins Haus steht, unbegründet.
Auch der alte Gleichstellungsparagraph im BGH brachte nie eine Klageflut
Dass es vermutlich kaum zu der befürchteten Prozesswelle kommen wird, zeigt auch ein Blick in die Geschichte des Paragraphen 611a des BGH, der die Gleichstellung der Geschlechter regelt und ebenfalls ein für den Kläger erleichtertes Verfahren vorsieht. 'Im vorigen Jahr gab es lediglich vier entsprechende Prozesse', betont der SPD-Abgeordnete Olaf Scholz, der maßgeblich an der Ausarbeitung des ADG beteiligt war.
Nichtsdestoweniger gilt, so Thüsing: 'Es wird Klagen und auch Missbrauchsfälle geben.' Daher kommen Betriebe auch nicht ums Dokumentieren ihrer Bewerbungsprozesse herum. Doch der Aufwand hat Grenzen. Grenzen, die schon der zweite ADG-Entwurf setzt. Demnach haften Firmen z.B. nicht, wie ursprünglich vorgesehen, für Diskriminierungen durch Dritte. Zudem müssen sie ihre Dokumente nicht endlos lange horten, denn materielle Schadensersatzansprüche sowie Schmerzensgelder für immaterielle Schäden müssen binnen sechs Monaten an sie geltend gemacht werden. Zudem ist der Schmerzensgeldanspruch für Personen, die zwar eindeutig diskriminiert worden sind, aber auch ohne Diskriminierung nicht eingestellt worden wären, nun auf maximal drei Monatsgehälter beschränkt.
Wie die CSU-Abgeordnete Hannelore Roedel erklärt, würde die Union, im Falle eines Wahlsieges, in Sachen Arbeitsrecht v.a. die Klausel aufheben, dass Gewerkschaften und Betriebsräte den Einzelnen nicht nur bei Klagen unterstützen oder in dessen Namen klagen dürfen, sondern auch befugt sind, ohne Ermächtigung durch den Einzelnen dessen persönliche Rechte geltend zu machen. Auch der Passus, dass Firmen ihrer Pflicht zur Diskriminierungsvorbeugung mit Mitarbeiter-Schulungen nachkommen sollen, könnte wegfallen. 'Zu teuer ', so Roedel.