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Übersicht AnsprechpartnerBeitrag von Henning Beck aus managerSeminare 323, Februar 2025
Vor einigen Jahren (ich war in guter Form) nahm ich an meinem Lieblingsradrennen teil. Das Ziel war klar: Ich wollte gewinnen – und übermütig wie ich war, erzählte ich das wirklich jedem, selbst wenn er es nicht hören wollte. Es wurde eines der schlechtesten Rennen meines Lebens. Ich wurde 20. und ärgerte mich die ganze Zeit, dass ich im Rennen niemals wirklich die Leistung zeigen konnte, die ich tatsächlich draufhatte. Dabei hatte ich genau für diesen Moment trainiert und mein Ziel klar definiert. Und zwar genau so, wie man es machen soll: SMART muss das Ziel sein. Also specific (eindeutig), measurable (messbar), achievable (erreichbar), relevant und time-bound (also zeitlich begrenzt). Ständig wird dieses SMART-Mantra wiederholt, damit Ziele nicht irgendwie diffus und undefinierbar sind. Und das ist auch bestimmt sinnvoll – aber nicht die ganze Wahrheit.
Das Problem bei so klar gesteckten Zielen ist nämlich: Sie können nur verlieren. Entweder Sie erreichen das Ziel nicht. Dann ist es weg. Oder Sie erreichen es. Dann ist es auch weg. Nicht wenige Menschen fallen dann in ein Loch (was man „Entlastungsdepression“ nennt). Kein Wunder, wir werden schließlich immer dazu trainiert, Ziele zu setzen und danach zu streben. Filme enden, wenn der Held sein Ziel erreicht hat. Niemand dreht einen Streifen darüber, wie man nach dem Erreichen weitermacht. Auch das Szenario, dass man scheitert, ist in unserer Kultur gut abgedeckt: Sie können einen Haufen an Beiträgen finden, wie man „besser scheitert“, „voranscheitert“, nach dem Scheitern gestärkt zurückkommt (sprich: resilient wird). Doch was passiert, wenn man endlich ein Ziel erreicht, ist ein blinder Fleck in unserer Erfolgskultur.
Kurzum: Wer sich zu sehr auf SMARTe Ziele konzentriert, kann sich selbst ein Bein stellen. Sogar ganz konkret im Moment des Strebens nach diesem Ziel. Denn aus neurowissenschaftlicher Sicht weiß man, dass zu konkrete Ziele ablenken können. Statt sich auf seine Leistung zu konzentrieren, konzentriert man sich auf das Ziel. Am Ende hat man nur noch dieses doofe Ziel im Kopf, nicht mehr sein eigenes Können. Ein Phänomen, das man als „Undermining Effect“ kennt: das Unterminieren der eigenen Leistung.
Das klingt fast so, als wäre man in einem Zieldilemma: Entweder man hat ein Ziel, dann kann man nur verlieren. Oder man hat keins, dann aber wenig Orientierung. Doch interessanterweise gibt es neben der SMARTen Zielsetzung noch eine weitere Strategie zum Erfolg: die DYB, die „Do Your Best“-Variante. Statt sich zu sehr auf das Ziel zu fokussieren, konzentriert man sich vor allem darauf, seine beste Leistung zu zeigen. Man lässt sich nicht vom Ziel ablenken, sondern bleibt bei dem, was man wirklich kontrollieren kann: sich selbst.
Natürlich muss man wissen, wo man hinwill. Doch wer sich vornimmt, sein Bestes zu geben, wird sich später keinen Vorwurf machen können. Eine kleine Einschränkung gibt es: DYB-Strategien funktionieren bei vergleichsweise offenen Zielen, bei Innovations- oder Kreativaufgaben, am besten. Oder dann, wenn man sich wirklich auf sich selbst konzentrieren kann und nicht von der Leistung anderer abhängig ist. Wie etwa beim Radrennen. Nach meinem Desaster nahm ich mir für jedes Rennen vor, immer mittendrin zu sein, wenn die entscheidende Attacke gefahren wird. Ob ich dann um den Sieg mitfahren konnte, musste ich dann sehen. Aber ich stand mir nie mehr selbst im Weg.
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