Seine Bedenken beim Thema Zielvereinbarungen und variable Vergütung verdeutlicht Dr. Rüdiger Hossiep an dem sogenannten Kobra-Effekt aus der Zeit der britischen Kolonialherrschaft in Indien. Damals, so erklärt der Organisations- und Personalpsychologe von der Ruhr-Universität Bochum, setzte der britische Gouverneur aufgrund einer Schlangenplage eine Prämie auf tote Schlangen aus. Die Folge: Die Leute haben die Giftschlangen gezüchtet, um immer mehr tote Tiere abliefern zu können. Als die Regierung deshalb die Prämien stoppte, haben die Menschen die Schlangen, die sie noch hatten, freigelassen – die Plage war schlimmer als je zuvor.
'Vergleichbares passiert heute in den Unternehmen', ist Hossiep überzeugt und hat dafür auch zahlreiche Belege: Manager, die den Aktienkurs ihres Unternehmens kurzfristig in die Höhe treiben, um überdimensionierte Boni zu kassieren. Vertriebsmannschaften, die stundenlang darüber beratschlagen, wie sie die vereinbarten Kennzahlen am besten manipulieren können. Oder aber die falschen finanziellen Anreize, die Bankberater dazu treiben, 65-jährigen Kunden Wertpapiere mit 20-jähriger Laufzeit zu verkaufen. Hossiep: 'Da müssen wir uns nichts vormachen, all dies passiert.'
Hossiep spricht sich damit sehr deutlich gegen immer höhere Bonuszahlungen und einseitige Zielvereinbarungen aus und warnt die Unternehmen auch: 'Durch hohe Boni kommen die falschen Mitarbeiter nach oben.' Diejenigen nämlich, die besonders gierig sind und nur ihren eigenen Vorteil im Blick haben. Und eben nicht den des Unternehmens oder der Kunden. Im schlimmsten Fall führe das zum Ruin einer Firma – wenn beispielsweise hohe Schadenersatzforderungen fällig werden oder das Unternehmen kurzfristige Erfolge mit einer finanziellen Schieflage bezahlt.
Extras:- Was Manager beachten sollten: So gelingt die Kopplung von Zielen und Boni
- Zielvereinbarungen: Die Ergebnisse der Leserbefragung aus managerSeminare Nr. 144
- Literaturtipps: Kurzrezensionen von drei Büchern zu den Themen Vergütung und Belohnungssysteme