Aber soll ich deshalb meinen Job hinschmeißen? Dann macht es ein anderer. Soll ich unsere Verkaufspraktiken öffentlich machen? Dann leidet das ganze Unternehmen darunter.' Was würden Sie dem Mann raten? Soll er seine oberfränkischen Moralvorstellungen auf der ganzen Welt durchziehen? Oder muss er mit der Tatsache leben, dass in anderen Ländern nun mal andere Sitten herrschen? Aber welche Sitten herrschen eigentlich bei uns? Kaum ein Betrieb, in dem Compliance nicht ganz groß geschrieben wird. Also das Bekenntnis zu einem Regelwerk, das Korruption und illegale Machenschaften verhindern soll. Gesteuert durch einen Compliance-Beauftragten wird ein ganzer Compliance-Apparat in Gang gesetzt: eine Organisation in der Organisation, die einen detaillierten Verhaltenskodex in allen Geschäftsprozessen umsetzen soll. Die Sache hat nur einen Haken: Auch die gewichtigsten Meetings der Compliance-Organisation und die eindringlichsten Bekundungen des Compliance-Managers, jedem Mitarbeiter ein vertrauensvoller Ansprechpartner zu sein, können nicht die wichtigsten Voraussetzungen einer integren Unternehmens-Ethik aus dem Hut zaubern: ein waches Unrechtsbewusstsein und die Entschlossenheit aller, Compliance-Verstöße nicht länger hinzunehmen. Was ich in der Praxis – und das nicht nur einmal – erlebt habe, ist das genaue Gegenteil. (...)