Spätsommer in Bonn. Isabel Streloke (Name geändert) sitzt mit zwei Freundinnen im Biergarten und gibt Anekdoten aus ihrem Arbeitstag zum Besten. 'Was glaubt ihr, wie schreibt man ‚Chance‘?', fragt die Ausbilderin eines mittelständischen Unternehmens in die Runde. 'Natürlich C-H-A-N-C-E', lautet die leicht verwirrte Antwort. 'Das sehen unsere Azubis aber anders', widerspricht Isabel und lehnt sich schmunzelnd zurück. 'In drei Übungen, die ich heute korrigiert habe, war die Rede von der ‚Schangse‘.'
Was in geselliger Runde wahlweise Erheiterung oder Unglauben auslöst, ist für viele Unternehmen bittere Realität: Berufseinsteiger weisen gewaltige Kompetenzlücken auf. 'Viele unserer Bewerber für einen Ausbildungsplatz haben große Defizite in den Bereichen Rechnen, Schreiben und Lesen', lautet die ernüchternde Beobachtung von Oliver T. Maassen, Leiter des Talent Center der HypoVereinsbank und damit verantwortlich für die Nachwuchssicherung der Bank. 'Außerdem mangelt es ihnen an grundlegenden Kommunikationsfähigkeiten: Sie sind leider oft nicht in der Lage, einen Geschäftsbrief zu schreiben.'
Und die HypoVereinsbank ist längst kein Einzelfall: Laut einer Online-Studie, die der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) im Mai 2005 durchgeführt hat, klagt fast die Hälfte der 7.500 befragten Unternehmen über die mangelnde Ausbildungsreife der Schulabgänger: Zwei von drei Unternehmen sehen Defizite hinsichtlich des mündlichen und schriftlichen Ausdrucksvermögens, und mehr als jedes zweite Unternehmen musste Mängel in den elementaren Rechenfertigkeiten feststellen. PISA lässt grüßen.
Extras:
- Drei Formen von Lernpartnerschaften zwischen Schule und Unternehmen
- Neun Qualitätskriterien für Erfolg versprechende Lernpartnerschaften
- Service: Kurzrezension eines Buches zum Thema Lernpartnerschaften zwischen Schulen und Unternehmen sowie Linktipps zu Initiativen und Projekten, die sich mit Kooperationen von Betrieben und Schulen beschäftigen