Systemische Therapeuten sind der Auffassung, daß jemand wie das dreizehnjährige, magersüchtige Mädchen mit ihrer Krankheit ausdrücken, daß es in ihrer Familie Probleme gibt. Sie ist der sogenannte 'Symptomträger', der das vorliegende Problem sichtbar macht. Die Ursache für ihre Krankheit finden Therapeuten also nicht nur in ihrer Person, sondern in ihrer Familie oder ihrem 'System', wie sich Psychologen ausdrücken. Würde sich eine Therapie nur auf das junge Mädchen konzentrieren, so wäre das eine Arbeit am Symptom. Die Ursachen bleiben aber unberücksichtigt. So kommt es, daß viele Patienten in der Klinik ein normales, unauffälliges Verhalten zeigen. Entläßt man sie in ihre Familie, stellt sich die Symptomatik sofort wieder ein.
Die Systemtherapie entstand in einer Zeit, in der viele wissenschaftliche Disziplinen eine Methodenvielfalt zuließen. Hervorgegangen aus der Familientherapie, entlehnte sie ihre Begrifflichkeiten der biologischen und physikalischen Forschung. In den sechziger Jahren entstanden in Amerika und in Europa verschiedene familientherapeutische Richtungen, die sich im Laufe der Jahre immer weiter entwickelt haben. Der systemischen Therapie ist daher kein einzelner Begründer zuzuordnen, viele berühmte Köpfe haben die grundlegenden Ideen entwickelt. Beispielsweise sind hier folgende Namen zu nennen: Carl Withaker, Salvador Minuchin, Virginia Satir, Mara Selvini Palazzoli, Helm Stierlin, Gregory Bateson und die Palo Alto Gruppe, zu der auch so bekannte Therapeuten wie Paul Watzlawick gehören.
Die grundlegenden Gedanken der Systemischen Therapie gehen auf die Kybernetik zurück. Die Therapeuten übertrugen die beobachteten Phänomene auf die psychosoziale Interaktion in Familien. Das grundlegende Konzept hierfür ist der Regelkreis, der das Tun des einen als Rückkoppelung auf das Tun des anderen beschreibt…