Raluca Stroescu gilt als Rumäniens erste Kamikaze-Managerin. Ihr Chef hat die 32-Jahre alte Unternehmensberaterin im Sommer 2007 tot in ihrer Wohnung gefunden, nachdem sie nicht zur Arbeit erschienen war. Ihren Kollegen zufolge sah sie in den Wochen vor ihrem Tod aus wie ein Gespenst, abgemagert, mit dicken Augenringen. Sie war ständig unterwegs, arbeitete auch am Wochenende. Pausen machte sie nicht, zum Plausch blieb sie nie stehen. Sie hat sich zu Tode gearbeitet, berichteten ihre Kollegen.
Der mit dem Fall beauftragte Untersuchungsrichter schloss sich dieser Meinung an. Der Tod ist durch Stress in Kombination mit Schlafmangel und Erschöpfung eingetreten, lautete sein Urteil. Dass die Tote die eigenen körperlichen und psychischen Grenzen derart weit überschritt, deutet darauf hin, so heißt es im Untersuchungsbericht, dass sie unter Zwang stand. Fazit: Raluca Stroescu war wohl zwangsgestört. Sie starb höchstwahrscheinlich an den Folgen von Arbeitssucht.
Der Fall „Stroescu“ ging auch in Deutschland durch die Presse. Allerdings war es nicht die Tatsache, dass sich eine Managerin buchstäblich ins Grab gearbeitet hat, die diskutiert wurde. Herzinfarkte von Höchstleistern sind etwa hierzulande kaum erwähnenswert. Die Diagnose war es, die interessierte. Denn Vielarbeiter gelten gemeinhin als vorbildlich. „Sie als zwangsgestört zu bezeichnen, kommt einem Tabu-Bruch gleich“, sagt Dr. Stefan Poppelreuter.
Poppelreuter ist in Deutschland einer der renommiertesten Experten für Arbeitssucht. Mit den Gründen, Ausprägungen, Folgen und der öffentlichen Wahrnehmung der Arbeitskrankheit beschäftigt sich der Psychologe seit 15 Jahren. „Ob jemand arbeitssüchtig ist, ist nicht daran zu ermessen, wie viel er arbeitet, sondern warum er arbeitet“, erklärt Poppelreuter.
Extras:- Workaholic-Selbsttest: Sind Sie gefährdet?
- Service: Kurzrezensionen von drei Fachbüchern sowie Hinweis auf eine Internetseite zum Thema Arbeitssucht