Der fliegende Holländer, Tannhäuser, Lohengrin, Tristan und Isolde, Die Meistersänger von Nürnberg, Rheingold, Walküre, Siegfried, Gotterdämmerung, Parzival. Die zehn großen Opern Wagners, chronologisch. Aus dem Gedächtnis. Wer will das wissen? Kaum jemand. Oder aber jeder, der das Gefühl hat, die vielen Informationen des (beruflichen) Alltags nicht mehr bewältigen zu können. Dazu muss er keine Opern kennen, sondern nur die Methode, mit der er sie behalten kann.
'Loci-Code' ist eine dieser Methoden: Eine Verknüpfung zwischen Ort und Sache. Der Trainer Petros Geroulanos führt in die Technik ein: 'Stellen Sie sich einen existierenden oder fiktiven Raum vor, bildlich und in 3D. Sie wissen, wie es in dem Zimmer riecht, wie es beleuchtet ist und was es für einen Fußboden hat. Und wenn ich Sie frage, ob die Fenster des Raumes sauber sind oder nicht, könnten Sie mir auch das beantworten.'
Zehn Gegenstände gilt es in diesem Raum zu bestimmen und vor dem geistigen Auge entstehen zu lassen. Die Qualität, die Greifbarkeit des inneren Bildes entscheidet über die spätere Erinnerungsfähigkeit. In Gedanken schlendere ich also durch mein Wohnzimmer, begutachte den Kerzenständer, setze mich auf den Stuhl, streiche über die zerkratzte Oberfläche des Tisches. Erst wenn alles zum Greifen nah scheint, werden die Bilder zu den Opern mit diesen Gegenständen verknüpft. In diesem Fall die Wagner-Werke. Je detaillierter die Darstellung, desto mehr dient sie später als Eselsbrücke. Also stehen nun singende Chorknaben im Judo-Anzug mit schwarzem Gürtel auf der Armlehne meines Sessels und wedeln mit würzigen Lebkuchen. Ein trister Tristan und die holde Isolde haben in der Nordseemuschel auf meiner Fensterbank ihr rotsamtiges Liebesnest bezogen. Und für Tannhäuser verteile ich auf meinem Stuhl Häuser, in die eine zornige Göttin Tannenbäume rammt.