Für alle Fragen rund um unsere Webseite, unsere Medien und Abonnements finden Sie hier den passenden Ansprechpartner:
Übersicht AnsprechpartnerBeitrag von Henning Beck aus managerSeminare 299, Februar 2023
Ich bin Neurowissenschaftler geworden, weil ich das Gehirn für das wichtigste und spannendste Organ halte. Bis mir auffiel, wer mir diese Annahme eigentlich eingeredet hatte: mein Gehirn nämlich. Selbstzentriertheit ist offenbar ein zentraler Bestandteil unseres Lebens. Wir alle halten uns für den Mittelpunkt der Welt und denken, dass sich alles um uns dreht. Aus neuropsychologischer Sicht ist das völlig nachvollziehbar, schließlich lösen wir Probleme dadurch, dass wir sie auf uns beziehen. Nur was sich unmittelbar auf uns auswirkt, ist wichtig. Der Rest interessiert uns nicht.
Dieses Phänomen nennt sich „Spotlight-Effekt“, das Gefühl, dass wir immer im Rampenlicht stehen und alle Welt auf uns schaut. Das trifft auf uns persönlich, aber auch im Großen auf Gesellschaften zu. Schauen Sie sich um, jedes Land hält sich für das größte: Die Franzosen träumen von der „Grande Nation“, die Briten feiern ihr „British Empire“ und laut Michelle Obama sind die USA ohnehin „the greatest country on earth“. Das ist natürlich ein gefährlicher Trugschluss, der zwei Probleme mit sich bringt. Auf persönlicher Ebene trifft man bevorzugt unmittelbare und kurzfristige Entscheidungen. Weil man sich beobachtet fühlt, traut man sich vielleicht nicht zu, eine ungewöhnliche Idee laut auszusprechen, schließlich könnte man sich damit lächerlich machen. Andere werden schüchtern, entscheiden defensiv, flüchten sich in Perfektion oder Mikromanagement, um bloß keine Fehler zu begehen und dadurch unangenehm aufzufallen. Dabei ist der größte Fehler oftmals der, es gar nicht zu versuchen. Wer sich mental immer in den Mittelpunkt stellt, wird sich schließlich niemals in neue Positionen hineinversetzen können und Grenzen überwinden.
Womit wir beim zweiten Punkt wären: Selbstzentriertheit kann umgekehrt auch zu Überheblichkeit führen. Wenn sich die Welt um mich dreht, dann gibt es schließlich niemand Wichtigeren als mich selbst. Bedenken Sie jedoch: Genauso wie wir heute in der Rückschau über die Menschen von vor siebzig Jahren lachen, wird man auch in siebzig Jahren zurückschauen und sich über uns lustig machen. Mehr noch: Höchstwahrscheinlich werden unsere Namen im Jahre 2100 vergessen sein. Oder erinnern Sie sich noch an den Namen des Opas Ihres Opas?
In dieser Bescheidenheit sollten wir uns keinesfalls entmutigen lassen, sondern uns anspornen zu mehr Denkoffenheit und Perspektivwechsel. Gute Ideen entstehen eben nicht, wenn man es sich in seinem Saft gemütlich macht und sich selbst für den Nabel der Welt hält. Auch das zeigt die Psychologie sehr deutlich: Je interessierter man an anderen Sichtweisen ist, desto mehr profitiert man davon. Das bedeutet oftmals auch, dass man die Grenzen seiner eigenen Perspektiven erkennen muss, um diese zu erweitern, sprich zu lernen. Studien zeigen: Überwindet man nämlich genau diesen Spotlight-Effekt, zum Beispiel, indem man Menschen vermeintlich leichte Aufgaben lösen lässt, bei denen sie aber scheitern, erzeugt genau diese Erfahrung das Bedürfnis, sich zu verbessern (solange man nicht allzu frustriert ist). Genau deswegen ist der Lerneffekt am größten, wenn man Menschen aus ihrem Ich-zentrierten Denken herausholt und sie die Grenzen ihres Wissens spüren lässt. Diejenigen hingegen, die sich selbst für wichtig und unfehlbar halten, werden hingegen nur schwer auf etwas Neues kommen. Und ob man sich in Zukunft an ihre Namen erinnert, ist eher unwahrscheinlich.
Sie möchten regelmäßig Beiträge des Magazins lesen?
Für bereits 10 EUR können Sie die Mitgliedschaft von managerSeminare einen Monat lang ausführlich testen und von vielen weiteren Vorteilen profitieren.