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Übersicht AnsprechpartnerBeitrag von Henning Beck aus managerSeminare 291, Juni 2022
Vielleicht sind Sie mal mit kleinen Kindern an einem Kraftwerk mit riesigen Kühltürmen vorbeigefahren, aus denen eine große Menge Wasserdampf aufgestiegen ist. „Schau nur, da werden die Wolken gemacht“, schallt es dann oft aus dem Kindermund. Wie goldig – aber natürlich falsch. „Das kann mir nicht passieren“, werden Sie sagen. Schließlich können Sie gut Ursache und Wirkung auseinanderhalten. Tatsächlich? Machen wir die Probe aufs Exempel.
Beurteilen Sie bitte, welche der folgenden Aussagen stimmen: 1. Bakterien verändern sich, um gegen Antibiotika resistent zu werden. 2. Die Erde hat eine Ozonschicht, um gegen UV-Strahlen geschützt zu sein. 3. Kinder ziehen sich im Winter Handschuhe an, damit die Finger warm bleiben. Wer genau hinschaut, wird erkennen, dass ausschließlich die dritte Aussage korrekt ist, die anderen beiden sind kompletter Unsinn. Trotzdem fallen in Untersuchungen selbst professionelle Wissenschaftler auf einen Denkfehler herein, den man „Sinnfehlschluss“ nennt: Menschen glauben, in irgendwelchen Dingen eine Absicht oder einen Sinn zu erkennen, selbst wenn überhaupt kein Sinn vorhanden ist.
Das liegt daran, dass wir nur dann Ursache und Wirkung auseinanderhalten können, wenn wir uns fiktiv in die Rolle eines Verursachers begeben. Wir könnten uns zum Beispiel vorstellen, die Sonne zu sein, die mit ihren Sonnenstrahlen die Erde erwärmt. Ist dies ohne Widerspruch denkbar, so schließen wir daraus, dass es eine eindeutige Ursache für etwas gibt (die Erde erwärmt sich, weil die Sonne auf sie scheint). Nun verfolgen Menschen als Verursacher in aller Regel einen Zweck. Also folgern wir oft, dass Ursache und Zweck zusammenhängen. Weil das Leben eine Ursache hat, suchen wir auch nach einem Sinn. Niederlagen oder Schicksalsschläge werden nach einem Sinn abgesucht, denn es passiert schließlich nichts „ohne Grund“. Natürlich passiert nichts ohne Grund – aber durchaus ohne Sinn und Zweck. Die Sonne scheint schließlich nicht auf die Erde, damit diese sich erwärmt.
Die Sinnsuche ist einer der stärksten Antriebe des Menschen, und man kann sie sich in der Wissensvermittlung zunutze machen. Wie oft haben Sie in Ihrer Schulzeit die Frage gestellt: „Wofür brauche ich das?“ Mit dieser Frage muss man anfangen. In einer Studie untersuchte man das in einem eher trockenen Lernumfeld: Statistikunterricht für die neunte Klasse. Die Stunde begann anders als üblicherweise, man präsentierte den Schülern nämlich folgenden Fall: Ihr seid Trainer eines Basketballteams, das entscheidende Spiel steht an. Doch welchen der beiden besten Distanzschützen sollt ihr aufstellen? Spieler 1 warf in seinen vergangenen Spielen 25, 23, 27, 21, 23 Punkte. Spieler 2 hingegen 20, 12, 41, 38, 8. Welcher der beiden ist der konstantere Punktewerfer, und wie würdet ihr das mathematisch begründen?
Dann ließ man die Schüler und Schülerinnen ausprobieren. Statt ihnen am Anfang die richtige Lösung zu präsentieren (die Formel für die Standardabweichung), machte man also erst klar, wofür sich die Anstrengung lohnt (nämlich, um ein Basketballspiel zu gewinnen). Erst im Anschluss präsentierte man den richtigen Lösungsweg, der dafür umso begieriger aufgenommen wurde. Und das Besondere: Selbst mit neuen Statistikfragen (wie geht man zum Beispiel damit um, wenn jemand mal 88 Punkte in einem Spiel geworfen hat?) kam die Gruppe besser klar, die selbst ausprobieren durfte und von Anfang an wusste, wozu sie sich anstrengt. Denn sobald Menschen erkennen, wofür sie etwas tun, hängen sie sich besonders rein. Schließlich ergibt es dann einen Sinn.
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