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Übersicht AnsprechpartnerBeitrag von Henning Beck aus managerSeminare 296, November 2022
Die Güte des menschlichen Denkens beurteilen wir heute oftmals anhand der Intelligenz. Doch aufgepasst, denn nicht immer sind in IQ-Tests Kompetenzen gefragt, die auch im Alltag nützlich sind. Ein schönes Beispiel dafür sind Zahlenreihen, die man ergänzen soll: 2, 4, 8, 16, 32, 64 …? Kein Problem, werden Sie sagen, denn Sie erkennen sofort: Es muss 128 sein. Doch wie sieht es mit dieser Zahlenreihe aus: 2, 4, 6, 8, 10, 12, …? „14!“, werden Sie ausrufen, denn was auch sonst soll auf die 12 folgen? Wenn Sie letztere Zahlenreihe Menschen zeigen, antworten 99 Prozent mit 14. Ganz wenige machen etwas anderes: Sie sagen nicht 14, sondern vielleicht 13 oder 25 oder 3086. Die Regel könnte auch lauten, dass die nächste Zahl einfach nur größer sein muss als die Zahl zuvor – eine Regel, die ebenfalls immer funktionieren würde.
Wir neigen dazu, uns in unseren Ansichten immer wieder zu bestätigen, nicht dazu, uns zu hinterfragen. Bedenken Sie jedoch: 14 sagt jeder. Mit der 14 können Sie kein Geld verdienen, das ist bloßer Mainstream. Doch wir lieben die 14, die 14 ist perfekt. Unser Gehirn ist ganz vernarrt in solche Denkmuster und versucht permanent, kognitive Widersprüche zu vermeiden. Wir suchen die harmonischste Ergänzung, nicht die kontra-intuitive Dissonanz. Der aktive Widerspruch wird in unserem Denken sogar aktiv ausgebremst zugunsten eines harmonischen Trendfolgedenkens. Trends zu optimieren, liegt daher praktisch allen Formen unseres Wirtschaftens und Problemlösens zugrunde.
Genau deswegen bauen alle Autofirmen mit Vorliebe SUVs – wobei sich die Frage stellt, ob Autobauer überhaupt eine Wahl haben, wenn die Kundschaft aus ihren etablierten Denkmustern nicht ausbrechen will. Ein ähnliches Schicksal erleidet gerade Apple, dessen neue iPhones optisch nahezu ununterscheidbar von der Vorgängergeneration ist. Wir rühmen uns, in innovativen Zeiten zu sein, doch man schaue sich an, wie sich das Design von Smartphones entwickelt: Man wird überrollt von einer Armee von Android- und iPhone-Klonen, die alle eine zugrundeliegende Denkvorliebe bedienen. Was waren das in den 1990ern noch für kreative Designs: Klapphandys, Slider-Handys, große Displays, kleine Knöpfe – zig Möglichkeiten, sich kreativ zu unterscheiden. Heute sind die Smartphone-Hersteller in einem gedanklichen Minimum gefangen, optimiert bis zum Ende.
Die Ironie der heutigen Zeit ist: Analytisches Erkennen und Optimieren von Trends mag wichtig sein. Doch keine einzige Krise der vergangenen Jahre ließ sich mit diesem Denken antizipieren. Weder die Finanz-, die Flüchtlings-, die Corona- oder die Ukrainekrise. Ständig werden wir überrascht, weil wir permanent die Vergangenheit bemühen, um die Zukunft vorherzusagen. Kein Wunder, wenn man Menschen aktiv dazu trainiert, Trends zu erkennen und fortzuschreiben. Mit diesem Denkansatz wird man immer vom nächsten Umbruch überrascht sein.
Vielleicht wäre es daher an der Zeit, neben der Intelligenz noch das pro-aktive Problemlösen zu trainieren, mal offene Fragen zu stellen: „Welche Entwicklung wird die Gesellschaft in zehn Jahren am meisten verändert haben?“ oder „Was müsste passieren, damit sich der Fahrradverkehr in Städten verdoppelt?“ Bis dahin können wir ja weiterhin unsere Zahlenreihen optimieren und uns rühmen, intelligent zu sein. Wenn das mal nicht besonders dumm ist.
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