Schlauer lernen
Schlauer lernen

Lerntechniken auf dem Prüfstand

Henning Beck erklärt, warum Menschen eine Prüfung immer schlauer verlassen als sie diese begonnen haben.​

Lernforschung ist selbst für Profi-Wissenschaftler ein unübersichtliches Feld. In einer Übersichtsarbeit aus dem Jahre 2016 wurden beispielsweise über 18.956 Einzelstudien mit insgesamt über 13 Millionen untersuchten Personen zusammengefasst, um zu ermitteln, welche Lerntechniken am besten funktionieren. Und das ist offenbar nötig, denn als man in den USA auswertete, welche Strategien die besten High-School-Absolventen bei ihren Abschlusstestvorbereitungen anwendeten, waren die Top-Antworten: Wiederholungen, mit Karteikarten zu arbeiten oder sich Notizen zu machen. Auf die Frage, was sie tun würden, wenn sie einen zu lernenden Text gerade durchgelesen hätten, antwortete über die Hälfte, dass sie sich den Text gleich noch mal durchlesen würden. Die besten High-School-Absolventen lernen also mit den schlechtesten Tricks. An dieser Stelle daher die wissenschaftlich bestätigten Top 3 der Lerntechniken, um ein tieferes Verständnis aufzubauen (nicht, um auswendig zu lernen):

Platz 3: Schaubilder zeichnen. Einer der spektakulärsten Lerneffekte ist so simpel wie logisch zugleich und nennt sich „Dual Coding“: Wenn man einen Sachverhalt über verschiedene Kanäle lernt, behält man ihn besser, als wenn man nur einen Kanal nutzt. Es ist also besser, sich einen Text durchzulesen und anschließend die Kernthesen in einem Schaubild zusammenzufassen, als sich einen Text einfach dreimal durchzulesen. Schaubilder zu zeichnen hat überdies den Vorteil, dass man den Lerninhalt räumlich verankert. Selbst wenn Menschen nur ein Schaubild sehen, behalten sie einen Textinhalt besser, als wenn sie diesen bloß ein paar Mal lesen. Vorsicht an dieser Stelle: Overkill-Gefahr. Schaubilder sind für ein Gehirn nicht immer leicht verdauliche Kost. Man muss dem Gehirn Zeit geben, um den Inhalt zu verarbeiten. Praxistipp an dieser Stelle: Die Zeit zwischen zwei Lerneinheiten sollte ein Fünftel der Zeit sein, bis die finale Prüfung ansteht. Wenn diese also in 10 Wochen stattfindet, sollten die einzelnen Lernblöcke zwei Wochen auseinanderliegen.

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Platz 2: An Beispielen hinterfragen. In Studien sind die dauerhaften Effekte durch Wiederholungen und Markierungen in Texten fast null. Viel besser ist es, wenn man während einer Lerneinheit immer wieder Warum- oder Wozu-Fragen stellt. Am besten ist es, wenn man sich selbst konkrete Beispiele überlegt, wie man den Wissensinhalt zu einer Anwendung bringen könnte, ein Szenario oder ein Problem entwickelt, das man konkret mit dem neuen Wissen lösen kann. Übrigens ist es etwa doppelt so effektiv, wenn man sich solche Beispiele selbst überlegt, als wenn man sie vorgesetzt bekommt und das neue Wissen darauf anwenden soll.

Platz 1: Sich selbst testen. Auch wenn es sich nicht so anfühlt: Menschen verlassen eine Prüfung immer schlauer als sie diese begonnen haben. Das liegt am „Testing-Effekt“, einem der am besten beschriebenen psychologischen Lerneffekte mit außergewöhnlicher Wirkung. Er baut auf einem gut erforschten Phänomen des menschlichen Lernens auf, das man Rekonsolidierung nennt, das Verfestigen von Informationen, wenn man sie „abruft“. So könnte man am Ende einer Lernsession einen kleinen Test für sich selbst vorbereiten, mit dem man die nächste Lernrunde beginnt. Startet man dann wieder die folgende Lerneinheit, fordert der Test dazu auf, das vorherige Wissen zu reaktivieren. In diesem Moment ist eine Erinnerung jedoch wackelig und veränderbar – und kann geupdatet werden. Besser also, sich selbst beim Testen aufs Kreuz zu legen als später in einer echten Prüfung.

Der Autor: Henning Beck ist Neurowissenschaftler, und zwar einer der verständlichen. In Vorträgen und Seminaren vermittelt er die spannenden Themen des Gehirns. Sein aktuelles Buch heißt „Das neue Lernen heißt Verstehen“. Kontakt:  www.henning-beck.com

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