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Übersicht AnsprechpartnerBeitrag von Henning Beck aus managerSeminare 276, März 2021
Stellen Sie sich vor, Sie sind Lehrer an einer Kunstschule und wollen Ihren Kursteilnehmern den typischen Malstil von van Gogh, Monet und Cezanne vermitteln, wie gehen Sie vor? Oder umgedreht gefragt: Sie sollen für eine Prüfung lernen, was das Typische an den Bildern der drei Künstler ist, was würden Sie tun? Würden Sie sich Bilder der Maler anschauen? Ins Museum gehen, die Bilder vielleicht sogar nachmalen?
Ganz egal, welche Variante Sie bevorzugen, wenn Sie so ticken, wie die meisten Menschen, dann werden Sie Ihr Lernen bündeln – und ganz genauso sind auch viele Lehrkonzepte konzipiert: Man schaut sich nacheinander Bilder der verschiedenen Künstler an, zunächst von van Gogh, dann von Monet, dann von Cezanne. So hat alles seine Ordnung, und man kommt nicht durcheinander. Das stimmt zwar, doch dieses blockweise Lernen oder Lehren hat einen gewaltigen Nachteil: Man lernt bloß auswendig und versteht nicht, was man lernt.
In einem meiner Lieblingsexperimente untersuchte man genau diese Lernsituation im Labor: Die Testteilnehmer sollten Malstile von verschiedenen Künstlern lernen. Eine Gruppe lernte genau nach obiger Blockabfertigung: Zunächst sah man sich eine Reihe von Bildern des ersten Künstlers an, machte dann eine kurze Pause, bevor die Bilder des Künstlers Nummer zwei folgten. Bei der anderen Gruppe machte man etwas anderes: Man zeigte die Bilder aller Künstler durcheinandergemischt, machte dann eine Pause und zeigte anschließend eine neue Runde durchmischter Bilder. Was für ein heilloses Durcheinander! So verliert man doch total den Überblick!
Das Ergebnis der Studie war jedoch erstaunlich: Ging es in dem anschließenden Test darum, ein zuvor gezeigtes Bild zu erkennen, dann schnitt die erste Gruppe, die blockweise gelernt hatte, besser ab. Ging es jedoch darum, ein neues, zuvor nicht gezeigtes Bild korrekt zuzuordnen, dann war Gruppe zwei mit den durchmischten Bildern besser. Denn diese Gruppe hatte die Bilder nicht nur auswendig gelernt, sondern auch das Typische der Malstile verstanden.
Die Methode des Durchmischens von Lerninhalten nennt sich in der Lernwissenschaft „Interleaving“, die „Verschaltung“, das „Verzahnen“ von Lerninhalten. Durch das clevere Abwechseln von unterschiedlichen Beispielen eines gemeinsamen Sachverhaltes bauen Menschen Verständniszusammenhänge auf. Die Ironie ist: Menschen glauben das nicht. Im obigen Malstilexperiment gaben drei Viertel der Teilnehmer an, das blockweise Lernen führe zu einem besseren Verständnis der Malstile – selbst nachdem man den finalen Test gemacht hatte, war die Mehrheit überzeugt, weiterhin blockweise lernen zu wollen.
Überlegen Sie sich, was Sie mit Ihrem Seminar oder Workshop erreichen wollen: Sollen die Leute Fakten auswendig lernen und repetieren können? Dann ordnen Sie alles in Lernblöcken an. Sollen Ihre Teilnehmenden hingegen auch neue, unbekannte Problemstellungen lösen können und ein echtes Verständnis aufbauen? Dann konzipieren Sie Ihre Lehreinheiten so, dass sich die Inhalte abwechseln. Am besten gelingt das, indem unterschiedliche Beispiele eines gemeinsamen Sachverhaltes aufgezeigt werden. Man könnte Problemstellungen nacheinander stellen, ohne jedoch gleich die korrekte Antwort zu liefern. So schafft man erst kontrolliert Verwirrung, um am Ende alle Unklarheiten zu beseitigen. Das klingt irritierend und schafft zunächst Unsicherheit – aber genau das ist der Sinn guter Bildung.
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