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Übersicht AnsprechpartnerBeitrag von Marvin Schulz aus managerSeminare 314, Mai 2024
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Oft fragen mich Menschen, wie ich als Weiterbildner zum Thema Radical Honesty, also radikaler Ehrlichkeit, gekommen bin. In der Tat hätte ich im Leben nicht gedacht, dass ich eines Tages Weiterbildner mit diesem Schwerpunkt sein würde. Denn ich habe, wenn man so will, das genaue Gegenteil von radikaler Ehrlichkeit gelebt – bis zu einem Zusammenbruch mit gerade einmal Mitte zwanzig. Nach der Schule studierte ich Internationales Management und stürzte mich in die Businesswelt. Ich machte ein Auslandssemester in China, arbeitete dann im Bereich Wirtschaftsprüfung als Praktikant. Einen Winter lang war ich in New Yorker Banken tätig. Danach ging es weiter mit einem Master in Management und Führung an der Hochschule Reutlingen, um schließlich, nach einem beruflichen Zwischenstopp in Südafrika, wiederum in New York als Assistent der Geschäftsführung bei einem Milliardenkonzern zu landen. Kurz darauf erlitt ich einen physischen und psychischen Zusammenbruch – der für mich den Wendepunkt markierte.
Damals verstand ich noch nicht, was los war. Ich dachte, ich müsste mich noch mehr bemühen, ich wäre einfach zu schwach. Doch recht schnell wurde mir der wahre Grund meines Zusammenbruchs klar: Ich war die ganze Zeit über damit beschäftigt gewesen, ein Idealbild von mir zu präsentieren, das gar nicht existierte und das nicht zu mir passte. Ich musste mich extrem verstellen, sprich: lügen, um diesem Bild gerecht zu werden. Ich lebte förmlich nur für meinen Lebenslauf und mein Image, jahrelang. Dafür erhielt ich die Quittung in Form des Zusammenbruchs. Dass ich daraufhin einen neuen Weg einschlug, hatte sehr viel mit Radical Honesty zu tun.
Radical Honesty ist ein Kommunikationskonzept, das der US-amerikanische Psychotherapeut Brad Blanton Mitte der 1990er-Jahre entwickelt und zu dem er einen Bestseller veröffentlicht hat. Die Grundidee ist eigentlich noch viel älter; sie wurzelt in buddhistischen Traditionen ebenso wie in der Gestalttherapie nach Fritz Perls, die Blanton in seiner Arbeit als Therapeut auch maßgeblich geprägt hat. Ausgangspunkt für ihn war die Beobachtung, dass viele seiner Patienten und Patientinnen offenkundig darunter litten, sich den ganzen Tag nach außen hin immer wieder anders zu geben, als ihnen zumute war. Dass sie eine Rolle spielten, die nicht zu ihrem inneren Erleben passte – und dass sie dies enorm stresste. Blanton entwickelte daraus die These, dass es uns psychisch belastet, wenn wir ständig so tun, „als ob“. Er glaubt sogar, dass die Hauptursache für menschlichen Stress darin besteht, dass wir alle „lügen wie verrückt“.
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