Freiheit, Selbstverwirklichung, gesellschaftliche Entwicklung – sie alle sind Ergebnis tatkräftigen Wünschens. Doch das Wünschen ist eine schwierige Kunst, meint Peter Sloterdijk. Denn ein Wunsch ist etwas ziemlich Mysteriöses. Sloterdijk, der zu den bekanntesten und streitbarsten der zeitgenössischen Philosophen gehört, unterscheidet zwei grundlegende Formen: Zum einen haben wir das erotische Begehren, das 'Wege zu den Objekten zeigt, die uns fehlen und durch deren Besitz oder Nähe wir uns ergänzt fühlen'. Und zum anderen gibt es aber auch noch ein thymotisches Begehren, das die Menschen dazu bringt, geltend zu machen, 'was sie können und sein wollen'. Im ersten Fall geht es darum, etwas zu bekommen und haben zu können, im zweiten darum, Horizonte aufzureißen und ferne Ziele zu erreichen. Die Kunst des Wünschens liegt darin, diese beiden grundverschiedenen Absichten zu unterscheiden und sich für das jeweils Richtige zu entscheiden.
Mit den Begriffen des Erotischen und des Thymotischen greift Sloterdijk auf die Gedankenwelt der griechischen Antike zurück. Damals hat man zum ersten Mal entdeckt, dass sich ein erfolgreiches gesellschaftliches Zusammenleben zwischen diesen beiden Polen abspielt. Die moderne bürgerliche Welt knüpft an diese frühen Errungenschaften gesellschaftlicher Freiheitsentfaltung an – allerdings nicht so gut, wie es vielleicht sein sollte. Sloterdijk jedenfalls sieht da ein ernstes Problem: Für ihn sind die beiden handlungstreibenden Impulse des Haben-Wollens und des Können-Wollens heute schlecht austariert. Denn wir privilegieren einseitig das Erotische, während das Thymotische eher sogar pathologisiert wird.
Extra:Infokasten: Peter Sloterdijk – Leben, Werk und Wirkung, mit Literaturhinweisen