Über Mindestlöhne in der Postbranche wurde Ende 2007 in Deutschland heftig diskutiert. Auch auf dem Jahresforum „Personal & Wirtschaft“, das Mitte November in Köln stattfand, kam das Thema aufs Tapet. „Die Diskussion um Mindestlöhne bei der Post ist Unfug. Die Politik muss endlich einsehen, dass es kontraproduktiv ist, alles zu regeln. Sie sollte stärker auf die Kräfte des Marktes vertrauen.“ Das sagte der ehemalige Wirtschaftsminister Wolfgang Clement. Clement galt zwar für einen SPD-Mann immer schon als recht wirtschaftsnah, aber solche liberalen Töne überraschten dann doch: „Ich wünschte, Sie hätten in Ihrer aktiven Zeit so gesprochen“, brachte einer der Zuhörer auf den Punkt, was wohl viele dachten.
Das Beispiel verdeutlicht ein Phänomen, das nicht nur unter Politikern, sondern auch unter Managern zu beobachten ist: Sobald sie ihren Posten geräumt haben, rufen sie zum Umdenken und zum Wandel auf, auch wenn sie während ihrer aktiven Zeit nur tradierte Wege beschritten haben. Emeritierte Politiker, die sich immer für Vorschriften für alles und alle stark gemacht hatten, stemmen sich plötzlich gegen die Bürokratisierung. Ex-Top-Manager, die stets auf die Kernkompetenzen des Unternehmens fokussierten, raten ihren ehemaligen Arbeitgebern, neue Märkte zu erschließen.
Solche Fälle als Folgen plötzlicher Sinneswandel zu werten, wäre zu kurz gedacht. Denn freilich ist die Überzeugung, dass Wandel in der Organisation notwendig ist, dann entstanden, als die Politiker und Manager Teil der Organisation waren. Nur haben sie sie damals nicht geäußert. Der Grund: Sie hätten ihren Worten keine Taten folgen lassen können. Denn weder Politiker noch Manager sind die Steuermänner, als die sie gerne gesehen werden. Vielmehr sind sie Gefangene – gefangen in der eigenen Organisation.
Extras:- Die Theorie der Pfadabhängigkeit: Entwicklung, Hypothesen, Beispiele und Anwendungen des Erklärungsmodells
- Service: Zwei Buchtipps und ein Veranstaltungshinweis zum Thema Pfadabhängigkeit