Der Uni-Abschluss und der Rentenbescheid sind Lebensereignisse, die für gewöhnlich nur mit großem zeitlichen Abstand eintreffen. Meist liegt ein ganzes Arbeitsleben dazwischen. Bei Helmut Seßler fielen im März 2014 beide auf einen Tag: Morgens flatterte der Brief der Rentenkasse ins Haus, abends überreichte ihm der Rektor der Hochschule Ludwigshafen sein Master-Zeugnis. Zweieinhalb Jahre hat der 65-jährige Verkaufstrainer in seinen Master für Human Resources Management investiert. Genau wie seine rund 40 Jahre jüngeren Kommilitonen hat er Vorlesungen besucht, für Prüfungen gebüffelt und über Hausarbeiten geschwitzt. Seine Motivation: 'Ich wollte meine Perspektive erweitern und mich wissenschaftlich mit dem Bereich auseinandersetzen, in dem ich seit mehr als 25 Jahren arbeite', sagt der Unternehmer.
Helmut Seßler ist zweifelsohne ein Paradebeispiel für lebenslanges Lernen – und damit in seiner Altersgruppe noch immer eine Ausnahme. Denn bisher gilt in Deutschland nach wie vor die Formel: Je länger Menschen im Berufsleben stehen, desto seltener bilden sie sich fort. Laut Angaben des statistischen Bundesamtes nahm 2012 von den über 50-jährigen nur jeder Fünfte an einer betrieblichen Weiterbildung teil – fünf Prozent weniger als der Durchschnitt. Im internationalen Vergleich liegt Deutschland damit nicht nur deutlich hinter skandinavischen Ländern zurück, sondern auch hinter vielen west- und osteuropäischen Nachbarn wie Tschechien, Slowenien, den Niederlanden oder Frankreich.
Für eine Volkswirtschaft, in der Belegschaften immer älter und geistige Fähigkeiten immer wichtiger werden, ist das ein denkbar schlechtes Zeugnis – an dem sich dringend etwas ändern muss. Schließlich sind die Herausforderungen für Unternehmen seit Jahren bekannt: Die technische Entwicklung schreitet voran, die Lebenszyklen von Produkten verkürzen sich, Innovationen müssen schneller auf den Markt kommen.
Extras:- Fünf Tipps für eine altersgerechte Personalentwicklung
- Literaturtipps: Kurzrezensionen zweier Bücher über ältere Mitarbeiter und Hinweis auf einen Fachartikel über lebensphasenorientierte Personalarbeit
- Linktipps: Ein Neurobiologe im Interview und das Demografie-Netzwerk ddn