Wenn Menschen ihrem Gewissen folgen, kann das anstrengend werden. Vor allem, wenn sie von anderen verlangen, nach denselben Werten zu handeln. Oft merken sie gar nicht, wie sehr sie mit ihrem ethischen Eifer ihre Umwelt terrorisieren. Was sie übersehen: Seinem Gewissen zu folgen, ist nicht automatisch gut. Es kommt auf die Art des Gewissens an.
Das moralische Gewissen etwa haben wir von unseren Erziehern bekommen, die uns gesagt haben, was gut und richtig ist. Wir haben ihre Werte ungeprüft übernommen: Sei ein guter Kamerad, sei ehrlich und ehre deine Mutter. Treue, Gehorsam, Pflichtbewusstsein, Fleiß – all die Werte, die wir als Tugenden bezeichnen, finden sich im moralischen Gewissen wieder. Gegen diese Werte ist nichts einzuwenden, aussuchen konnten wir sie aber nicht. Wir haben zu keinem Zeitpunkt sagen können: 'Diesen Wert finde ich nicht gut, ich will viel lieber etwas anderes.' Kritische Auseinandersetzung fand nicht statt, die Werte wurden in uns eingepflanzt als eine innere Stimme, die uns Dinge richtig oder zum Kotzen finden lässt. Und die uns – als schlechtes Gewissen – ganz schön zu schaffen machen kann.