Das Nachrichtenmagazin Spiegel stellt im Internet unter www.spiegel.de einen aktuellen Nachrichtendienst bereit. Jeder Artikel ist kommentierungsfähig, das heißt, dass die Leser eigene Kommentare ergänzen können. Wer sich einmal die Mühe für ein Experiment macht und die Kommentare zu all jenen Artikeln der vergangenen Wochen liest, die explizit über einen Politiker oder Wirtschaftsführer verfasst sind, sieht schnell: Etwa 90 Prozent der Kommentare enthalten eine kritische oder sogar extrem kritische Bewertung der Person, über die berichtet worden ist. 'Hochgradig inkompetent' ist das mildeste Urteil, 'moralisch verkommen und egoistisch' ist das typische Urteil über die Mächtigen.
Natürlich: Nur die aktuellen Kommentare von Spiegel-online-Lesern unter die Lupe zu nehmen, ist eine kleine, empirisch nicht abgesicherte Analyse. Doch unterfüttern die Statements eine verbreitete Wahrnehmung: Personen mit Macht haben es schwer, in moralischer Hinsicht als positiv wahrgenommen zu werden. 'Macht macht korrupt', lautet denn auch ein bekannter Spruch. Doch wie kommt es zu dieser Negativ-Einschätzung? Und was ist an ihr dran? Um das zu entschlüsseln, gilt es, die Aufgabe und Funktion der Mächtigen näher zu betrachten.
Wer viel Macht hat, kann und muss Entscheidungen treffen. Haben Sie als Führungskraft wenig Macht, sind von Ihren Entscheidungen nur wenige Menschen betroffen, haben Sie viel Macht, sind von Ihren Entscheidungen viele Menschen betroffen. Die schmerzhafte Erkenntnis ist: Wenn Sie als Führungskraft in einem Kontext mit begrenzten Ressourcen operieren, dann können Sie der Welt niemals nur Nutzen bringen – Sie bringen der Welt immer Nutzen und Kosten. Jeder Nutzen, den Sie stiften, hat einen Preis. Ob Sie beispielsweise als Politiker die Steuern anheben oder absenken, ist egal – bestimmten Personen bringen Sie einen Nutzen, andere müssen für diesen Nutzen bezahlen.
Extra:- Literaturtipps: Kurzrezensionen zweier Bücher über Führung und ethisches Management sowie Hinweis auf mehrere Fachartikel über Zusammenhänge zwischen Macht und Ethik