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Übersicht AnsprechpartnerBeitrag von Anna und Nils Schnell aus managerSeminare 307, Oktober 2023
„Ihr müsst unbedingt nach Costa Rica“ – das hörten wir schon, bevor wir überhaupt nach Lateinamerika loszogen. Gesagt, getan: Aus Panama reisen wir in das wohl bekannteste Land Zentralamerikas. Costa Rica betreibt nachhaltigen Tourismus, die Infrastruktur ist gut ausgebaut, und Menschen aus der ganzen Welt kommen, um die Natur- und Artenvielfalt des Landes zu bestaunen. Das ist auch ein Grund dafür, dass es die meisten nicht lange in der Hauptstadt San Jose hält. Im 17. Jahrhundert auf über 1.000 Meter Höhe erbaut, hält die Stadt zwar einiges an geschichtlichen – und auch kulinarischen – Highlights bereit, doch die Mehrheit der Besucher des Landes zieht es schnell aus ihr heraus. Insofern sind wir Exoten, denn wir bleiben deutlich länger, auf der Suche nach einer Antwort auf unsere Frage: Kann man hier spannende Erkenntnisse zur Zukunft der Arbeit entdecken?
Man kann. Wir treffen zum Beispiel Ricardo Quesada, den Gründer des Softwareunternehmens Akurey. Wie viele andere Unternehmer und Unternehmerinnen weltweit hat auch er sich jüngst die Frage gestellt: Lohnt sich eigentlich noch ein Büro? Ricardo ist zu einer Entscheidung gekommen, nachdem er mit seinen Mitarbeitenden gesprochen hat. Die können zwar, wie Millionen andere auf der Welt auch, bestens im Homeoffice arbeiten, wollen aber auch Zeit miteinander verbringen. Ergo entschied man sich, das Firmenoffice zu verkleinern und so zu gestalten, dass es in ausgewählten Zeiten ganz bestimmten Funktionen dient. „Wenn man ins Office kommt, soll es wie in einem Cafe oder in einer Bar sein”, erzählt uns Ricardo. Dementsprechend ist das Büro bei Akurey heute vor allem eines: ein Ort der Begegnung. Hier finden nun Teamevents und Feiern statt und ab und zu Meetings mit Kunden sowie Teammeetings – immer dann, wenn die Teams das wollen und planen.
... ist eine moderne Walz, auf der das Unternehmerpaar Anna und Nils Schnell (Beratungsfirma MOWOMIND) innovative Unternehmen weltweit besucht. Das „Abenteuer Arbeit“ führte sie bisher durch mehr als 47 Länder, und sie führten Gespräche mit mehr als 180 Vordenkern und Vordenkerinnen, aus denen sie neun Modern-Work-Prinzipien abgeleitet haben. Zu den bisherigen Reisen ist bei managerSeminare der Artikel „Agile Weltreise – New Work global“ (managerseminare.de/MS265AR03) erschienen und im Gabal Verlag das Buch „Die Modern Work Tour – Eine Weltreise in die Zukunft unserer Arbeit“. Über ihre aktuellen Erlebnisse informieren Anna und Nils Schnell regelmäßig auf ihrem Youtube-Kanal „The Schnells“.
Das Office hat so einen komplett neuen Zweck erhalten. Das System funktioniert bislang sehr gut, sagt Ricardo: „Wie es in der Zukunft aussehen wird, wird sich zeigen. Derzeit ist das die beste Nutzung mit der größtmöglichen Flexibilität für alle.“
Wie man das Arbeiten jenseits des Firmenbüros am geschicktesten organisiert, das hat auch ein anderes Unternehmen in San Jose stark beschäftigt: die Firma Nimiq, mit deren Onboarding- und HR- Manager Roberto Cruz wir uns treffen. Nimiq ist eine Non-Profit-Organisation im Kryptobereich mit hoher Transparenz. Neben dem Aufbau einer lokalen Gemeinschaft mit dem Ziel, das Ökosystem zu stärken, strebt Nimiq danach, Kryptozahlungen weltweit zur täglichen Realität werden zu lassen.
Das Besondere an dem Unternehmen ist, dass man dort eine, wie wir finden, außergewöhnliche Lösung für die Organisation der Remote-Zusammenarbeit gefunden hat: Dreimal im Jahr kommt die gesamte Remote Company für jeweils einen Monat an einem Ort auf dieser Welt zusammen, um in einem Hackathon intensiv zusammenzuarbeiten. In diesem Monat werden die wichtigsten Themen angegangen und konkret in die Umsetzung gebracht. Remote-Arbeit und das Arbeiten vor Ort so miteinander zu verbinden, ist zwar, wie uns Roberto erklärt, günstiger, als durchgehend Büros zu betreiben, doch auch eine Herausforderung. Es braucht gute Absprachen und echtes Commitment, damit es gut funktioniert. „Das ist mit Aufwand verbunden, so viel ist sicher“, sagt uns Roberto. Doch die Treffen seien von der Intensität her nicht zu übertreffen. Das liegt auch daran, dass keineswegs nur gearbeitet wird, wenn man bei Nimiq zusammenkommt. Roberto erzählt uns, dass ein Hackathon nach Griechenland gelegt worden ist, sodass alle Mitarbeitenden bei der Hochzeit eines Kollegen anwesend sein konnten. Erst wurde gefeiert, danach gearbeitet.
Die Idee, die wichtigen Momente des Lebens mit der Arbeit verbindbar zu machen, leuchtet ein. Dass sich Mitarbeitende in einer (Arbeits-)Gemeinschaft zu Hause fühlen und für diese einsetzen, wird in Zukunft elementar wichtig für Unternehmen sein. Trotzdem fällt die Umsetzung häufig schwer. Gemeinschaft passiert nicht einfach so, sie muss bewusst gestaltet, gestärkt und beschützt werden. Wenn wir das schaffen, entstehen Unternehmen, die aktiv die Zukunft gestalten können. Umso wichtiger ist es, zu schauen, wie die Zeit so genutzt werden kann, dass am Ende die Ergebnisse stimmen und man auch eine gute Zeit miteinander verbracht hat. Nur dann ist Arbeitszeit auch der Lebenszeit würdig.
Eine gute Gemeinschaft im Arbeitsleben – das hat freilich auch etwas mit den Menschen selbst zu tun, die zusammenarbeiten. Eine, die uns bei unseren Treffen in San Jose mit ihrer positiven Energie und guten Inhalten zur Zukunft der Arbeit fast von den Socken haut, ist Carolina Prestinary, die Gründerin von Innova Learning. Die richtigen Leute zu finden – das ist Carolinas Erfolgsschlüssel für eine gute Zusammenarbeit – weshalb sie im Bewerbungsgespräch immer dieselbe Frage stellt: „Magst du dein Wissen gerne teilen?“ Mit dieser Frage findet sie heraus, ob ihr Menschen gegenübersitzen, die daran interessiert sind, sich gegenseitig aufzubauen, zu unterstützen und weiterzuentwickeln, um gemeinsam Großes zu bewirken, oder solche, die lieber ihr eigenes Ding durchziehen wollen. Damit setzt Carolina auf einen sehr wichtigen Aspekt neuer Arbeit. Denn Kooperationswille und -fähigkeit sind integrale Bestandteile moderner Arbeitskontexte.
Bei Innova Learning begeistert uns auch noch ein weiterer Ansatz: Carolina erklärt uns nämlich, dass sie es für sehr wichtig hält, Scheitern zu üben. „Wenn wir das nicht lernen, werden wir uns nicht wohl damit fühlen”, sagt sie. In der modernen Arbeitswelt geht es oft darum, Neues auszuprobieren. Das kann jedoch nur gelingen, wenn es in Ordnung ist, zu scheitern, extrem ausgedrückt: Wer nicht scheitert, wagt nicht genug. Carolina und ihr Team helfen Menschen und Unternehmen dabei, Scheitern bewusst zu üben. Sie tun das, indem sie kleinere Überforderungen als Aufgaben stellen, die dafür sorgen, die eigene Komfortzone zu verlassen. Das kann zum Beispiel die Aufgabe sein, mit minimaler Vorbereitungszeit eine englischsprachige Ad-hoc-Präsentation zu einem unbekannten Thema zu halten.
In Zukunft wird es darum gehen, herauszufinden, wie wir als Unternehmen miteinander arbeiten wollen und können. Hierfür ist es wichtig, dass wir als wir selbst auftreten und uns für uns selbst einsetzen: Carolina ist daher auch die „Be you“-Regel sehr wichtig: Jede Person soll so sein dürfen, wie sie ist. Denn nur dann können wir ehrlich und authentisch miteinander in Kontakt treten, herausfinden, wie wir am besten zusammenarbeiten und gemeinsam die Zukunft der Arbeit gestalten.
Hierfür gibt es in Costa Rica auch einen Ausdruck, den man überall hört: „Pura Vida!“, zu deutsch „das pure Leben“. Egal, ob es gut läuft, oder gerade schlecht, das Leben ist das Leben. Je mehr wir das anerkennen, desto besser können wir auf die Herausforderungen im (Arbeits-)Leben reagieren. Diese Lebensweisheit nehmen wir mit auf unsere nächsten Etappen der Modern Work Tour.