Mit einem kräftigen Schwung öffnet sich die Tür, herein stürmt der Leiter der Marketingabteilung, steuert schnurstracks auf den Schreibtisch seines Kollegen zu, legt seine Mappe auf diesem ab, stellt sich seitlich neben seinen Kollegen, stützt sich mit einer Hand auf die Tischkante und sagt jovial: 'Bezüglich des Vorgehens beim So-und-so-Projekt waren wir uns ja einig, oder hast Du immer noch Einwände!?' 'Äh … nein, ich meine, äh … ja, das ist, äh … o.k. so.' 'Prima, dann ist ja alles geritzt', sagt der Marketingmann und rauscht aus dem Zimmer. 'Verdammt', denkt der Kollege, 'eigentlich bin ich überhaupt nicht einverstanden.'
Ein Fall von Überrumpelung? Absolut. Eher schon einer von verbalem Überfahren – mit anschließender Fahrerflucht. Oft neigen wir dazu, solche Aktionen als Unfälle abzutun. Wir schreiben sie der direkten Art des Kollegen zu – aber so ist der nun einmal. Und der mangelnden eigenen Schlagfertigkeit – aber so geht es ja bekanntlich den meisten Menschen. Wie heißt es doch so schön: Schlagfertigkeit ist das, was einem 24 Stunden später einfällt.
In Wirklichkeit handelt es sich in solchen Fällen allerdings häufig um sehr genau kalkulierte Aktionen, genauer gesagt, um rhetorische Manipulationen. Sie gehören zur zweifelhaften Kunst der Kampfdialektik. Bei dieser geht es darum, sich mit einer schwächeren Position gegen eine stärkere durchzusetzen, Recht zu bekommen, wenn man im Unrecht ist oder seinen eigenen Willen gegen den eines anderen durchzuboxen. Wobei Tiefschläge zum festen Repertoire gehören.
Eine häufig angewendete Taktik: Der Kontrahent wird – auf direkte oder subversive Art – attackiert, damit bei ihm das genetisch verankerte Programm 'Gefahr in Verzug' gestartet wird.
Extras:- Typische Angriffe: Drei Standardsituationen mit passenden Abwehrmöglichkeiten
- Literaturtipps: Kurzrezension eines Buchs über Rhetorik und Hinweis auf einen Fachartikel