Früher einmal, da hat sie ihn geliebt. Oft hat er ihr ein Lächeln ins Gesicht gezaubert, hat ihr das Gefühl gegeben, sie selbst zu sein. Jetzt aber ist alles aus, ist das strahlende Bild von ihm dahin. Er nervt nur noch. Immer öfter flüchtet sie sich in Tagträume von einem anderen. Sie denkt an Trennung. Trennung von ihm – dem Job, für den sie einmal alles gegeben hätte ...
Jetzt sitzt die Frau in der Kölner Coaching-Praxis von Gudrun Happich und redet über ihre Fluchtpläne. Sie ist nicht die einzige, die an Flucht denkt. In einer von Happich Ende 2013 durchgeführten Umfrage unter 119 Führungskräften bekannten 42 Prozent, mit dem Gedanken an einen Firmenwechsel zu spielen. Jeder Fünfte zog gar einen Berufswechsel in Erwägung. Die Gründe für die Ausstiegsphantasien: Druck, Stress, fehlende Gestaltungsspielräume und das Gefühl von Sinnlosigkeit. Doch deshalb gleich das Handtuch zu werfen, ist in vielen Fällen eine schlechte Idee, meint Happich. Denn die Ursachen für die Unzufriedenheit liegen nicht nur bei den Unternehmen, sondern auch bei den Betroffenen selbst: 'Viele unzufriedene Führungskräfte tragen weit mehr zu ihrem Zustand bei, als ihnen bewusst ist.'
Die Beraterin beobachtet seit einiger Zeit ein paradoxes Phänomen. Häufig sind nicht etwa diejenigen am unzufriedensten, die am wenigsten für ihren Job brennen. Im Gegenteil: 'Vor allem die Leistungsbewussten und Erfolgreichen hadern mit ihrem Tun', sagt Happich. Das ist kein Zufall. Denn das gesellschaftliche Credo, dass am glücklichsten und erfolgreichsten im Leben ist, wer in seinem Beruf vorankommt, sitzt gerade bei Managern tief. Folglich drücken sie auf den Powerknopf. Und drücken. Und drücken. Bis sie irgendwann dort ankommen, wo sie gar nicht hinwollten.
Extras:- Neun Strategien: So kommen Sie raus aus dem Tief
- Jobzufriedenheit: Die Ergebnisse der managerSeminare-Umfrage aus Heft 196
- Literaturtipps: Kurzrezensionen von vier Büchern zum Thema Zufriedenheit im Job
- Filmtipp: Hinweis auf einen Dokumentarfilm