Am 1. November 2010 hat die internationale Normierungsorganisation in Genf die ISO 26000 freigegeben. Hinter dem Kürzel verbirgt sich ein Leitfaden, an dem sich Unternehmen und andere Organisationen orientieren können, die sich in puncto gesellschaftlicher Verantwortung nach international anerkannten Kriterien richten möchten. Der Leitfaden – ein über 100-seitiges Kompendium – enthält Empfehlungen zu Bereichen wie guten Geschäftspraktiken, Menschenrechten, Arbeitsschutz und Umweltschutz. Die 'Guidance on Social Responsibility' wurde in einem gut fünfjährigen, oft sehr kontroversen Diskurs entwickelt, an dem über 430 Experten aus 91 Ländern teilnahmen. Orientierungspunkte bei der Entwicklung waren bestehende Regelwerke wie das UN Global Compact und die Arbeitsnormen der internationalen Arbeitnehmerorganisation ILO. Deutschland allerdings hatte sich in der internationalen Schlussabstimmung über die ISO 26000 der Stimme enthalten. Denn das deutsche Gremium, bestehend aus Vertretern der Verbraucher, der öffentlichen Hand, der Wirtschaft, der Nichtregierungsorganisationen, aus Ethikexperten, Experten aus Beratung und Wissenschaft sowie Gewerkschaftsvertretern hatte keinen Konsens über die Norm erzielen können. Die Gewerkschaften hatten dagegen votiert, weil sie fürchten, dass mit der ISO 26000 ein Trend gesetzt wird, gesetzliche Regeln durch Regeln zu ersetzen, die in einem nur pseudodemokratischen, interessengetriebenen Prozess zustande gekommen sind, sodass letztlich freiwillige Selbstkontrolle an die Stelle von staatlichen, verbindlichen Regeln tritt.
Eine Sorge, die Anton Bauch, Vertreter der Wirtschaft im deutschen Gremium, gut verstehen kann: 'Man kann der ISO durchaus vorhalten, ihre Kompetenzen zu überschreiten, wenn sie, statt nur Normen für technische Prozesse und Produkte zu entwickeln, nun auch Standards für derart weitreichende gesellschaftlich relevante Bereiche festlegen will.' Die deutsche Wirtschaft (die sich in der nationalen Endabstimmung des Gremiums der Stimme enthalten hatte) hielt die ISO 26000 angesichts bestehender internationaler und nationaler anerkannter Regeln und Gesetze eigentlich für überflüssig. Vor allem aber kam es ihr – wie auch den Gewerkschaften – darauf an, zu verhindern, dass die ISO als Zertifizierungsgrundlage genutzt werden kann. 'Eine Möglichkeit, die im internationalen Diskurs durchaus hier und da anklang', so Bauch. Für eine Zertifizierung seien jedoch konkret nachprüfbare Kriterien nötig, die die ISO 26000 gerade nicht bereitstelle. Tatsächlich wird nun im ISO-Text ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die ISO 26000 nicht als Zertifizierungsgrundlage dienen kann. Alles andere wäre ein Missbrauch der Norm. 'Konzipiert als nicht zertifizierbarer Leitfaden kann die Wirtschaft mit dem Dokument nun leben', so Bauch. Dr. Michael Wimmer, Regierungsdirektor im Referat für internationale Arbeits- und Sozialpolitik im Bundesministerium für Arbeit und Soziales urteilt denn auch: 'Mit der ISO 26000 wird ein überfälliger Standard gesetzt, von dessen ausgesprochen flexiblem Ansatz sich jedoch niemand überfordert fühlen muss.' (In deutscher Fassung ist die DIN ISO 26000 ab Januar 2011 im Beuth Verlag erhältlich. Ein ausführlicher Bericht zur ISO 26000 und den Implikationen für deutsche Betriebe erscheint in der April-Ausgabe von managerSeminare, Heft 157)