Günter F. Gross kommt eine halbe Stunde vor dem Auftritt an. Unter seinem Arm klemmt eine große, flache Schachtel aus roter Pappe. Er klappt sie auf, holt seinen Stapel Overhead-Folien heraus und, ganz diskret, ein Schild mit seinem Namen, das er erst einmal zur Seite legt. Kurz vor dem Vortrag stellt er es dann aufs Pult: GÜNTER F. GROSS steht da. Die Großbuchstaben sind so dick und so schwarz, dass sie auch in der hintersten Reihe zu sehen sind. Den Namen, den soll keiner vergessen.
Dann beginnt Gross' Vortrag. 'Beruflich Profi – privat Amateur?' lautet das Thema seines Abends. Er bespielt 150 Teilnehmer der Master-Konferenz in der Akademie der Wissenschaften am Berliner Gendarmenmarkt. Seine Zuhörer haben zehn Stunden Programm hinter sich, jetzt sitzen sie einfach da, machen leere, distanzierte Gesichter. Gross kämpft. Er arbeitet gegen gleichgültige Mienen an.
Zehn Minuten geht das so, dann hat er die Menschen gewonnen. Mit einem Mal ist Gross eins mit seinen Zuhörern, sein Charme öffnet ihre Seelen, er greift behutsam hinein und stellt die Gemüter erst mal auf 'warm'. Gross massiert ohne eine einzige Berührung. Diese Nähe schafft er durch den Verzicht auf Jargon. Er sagt nicht 'Zeitmanagementstrategie' oder 'Work-Life-Balance', sein Idiom ist so direkt und lebensnah wie das des Berliner Taxifahrers.
Gross begibt sich mitten hinein in den Alltag seines Publikums, den er in seinem Vortrag schauspielernd nachstellt. So mimt er ein Ehepaar nach Feierabend. Sagt die Ehefrau zu ihrem Mann: 'Dein Körper ist schon zu Hause angekommen.' Dann einen Atemzug Pause. 'Dein Kopf ist noch im Büro. Ich erwarte ihn in etwa einer Stunde.' Die kleine Szene sitzt. Sie erklärt mehr als ein ganzes Buch über Work-Life-Balance.
Extras:- Literaturtipps: Zwei Bücher von Günter F. Gross