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Übersicht AnsprechpartnerBeitrag von Anne M. Schüller aus managerSeminare 293, August 2022
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Wir befinden uns in einer der riesigen Kölner Messehallen. Hier führt der Physiker und Wissenschaftsjournalist Ranga Yogeshwar zusammen mit dem Starautor Frank Schätzing, der unter anderem den SciFi-Thriller „Der Schwarm“ geschrieben hat, ein beeindruckendes Experiment durch: 200 Menschen sind da. In der Hallenmitte befindet sich ein riesiger Kreis. Um den Kreis herum sind im Uhrzeigersinn Tafeln mit den Ziffern eins bis zwölf aufgestellt. Die Probanden werden gebeten, im Kreis herumzuschlendern, nicht miteinander zu kommunizieren, das gesamte Terrain auszunutzen und immer einen Abstand von gut einer Armlänge zu allen Nachbarn zu halten. Zwanzig der Personen im Kreis erhalten jedoch eine geheime Anweisung – wobei keine von ihnen weiß, dass auch die anderen 19 diese bekommen haben: Nach etwa zwei Minuten des Umherwanderns sollen sie langsam zur Ziffer zwölf gehen und davor stehen bleiben. Immer mehr Menschen ziehen ihnen nach. Nach kaum fünf Minuten knubbeln sich fast alle 200 Teilnehmenden vor der Zwölf, ohne dass jemand sie dorthin gerufen hätte. Zwanzig Individuen, also zehn Prozent der Probanden, haben es allein durch ihr Verhalten geschafft, die Versammelten an ein Ziel zu bringen, ohne diesen Anweisungen geben zu müssen.
Mit diesem Experiment wurde eine Faustregel bewiesen, die besagt: Sind zehn Prozent der Menschen für eine Sache gewonnen, entsteht ein Sog. Was es demnach braucht, ist eine Avantgarde von Vorreitern und Schrittmacherinnen, von Experimentierfreudigen mit Tatkraft und Durchhaltevermögen, um Veränderungen zu initiieren. Ihr Mut macht auch anderen Mut. Sie verbreiten eine ansteckende Zuversicht und machen Lust auf Change. So nehmen sie andere mit auf den Weg in eine sich permanent wandelnde Zukunft.
Bei klassischen Transformationsprojekten nach dem Wasserfallprinzip ignoriert man solche Effekte hartnäckig. Hier werden von oben – gern auch von Beratungshäusern teuer begleitet – Change-Projekte mit großen Zielen und vorgezeichneten Pfaden geplant und dann als Rundumschlag mit viel Tamtam über alles und jeden „ausgerollt“. Heißt: Die Mitarbeitenden werden vor vollendete Tatsachen gestellt: „Vorstandsbeschluss! Wir machen jetzt überall Scrum“, heißt es zum Beispiel. Und dann wird Scrum auch dort zwangsimplementiert, wo Scrum gar nicht hingehört: etwa in Bereichen mit hohen Anteilen an Routineprozessen, unumgänglicher Vorschriftendichte und vertraulicher Arbeit. Das ist das eine Problem an der Sache, das andere: Statt mit einigen Pionieren voranzugehen, um Veränderungen zügig zu initiieren und das Neue testweise auszuprobieren, verplempert man seine Zeit damit, sogleich die gesamte Belegschaft zum Change zu verdonnern.
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