Wenn es je eine Zeit entfesselter Produktivkräfte gab, dann ist das die Moderne. Die Welt, die wir der Natur durch Einfallsreichtum und Können bis heute abgerungen haben, ist unser ganzer Stolz. Während viele noch immer jede Innovation begeistert feiern, haben die ersten die Party schon wieder verlassen. Giorgio Agamben zum Beispiel. Der bekannteste italienische Philosoph der Gegenwart ist fasziniert von der Werktätigkeit des Menschen und seit langem dem Geheimnis der menschlichen Schöpfungskraft auf der Spur. Seine ernüchternde Erkenntnis: Um unsere Produktivität – das kostbarste Gut in unserer Wirtschaftswelt – ist es nicht gut bestellt. Wir sind bei weitem nicht so produktiv, wie wir meinen. Vielleicht sind wir es sogar überhaupt nicht.
Wie das? Eigentlich kann man doch nur staunen, wie in nur zwei Jahrhunderten aus Handwerksbetrieben Manufakturen wurden und wie vorausschauende Unternehmer wenig später die ersten Fabriken aus dem Boden stampften. Die industrielle Revolution, die in wenigen Ländern Europas begonnen hat, breitete sich unaufhaltsam über die westliche Welt aus und hat inzwischen globale Ausmaße erreicht. Dank der neuesten technischen Errungenschaften sehen uns die Euphoriker des Fortschritts sogar an der Schwelle ins nächste Zeitalter stehen.
Doch das ist nur die eine Seite. Für immer mehr Menschen stellt sich hingegen die Frage, ob es überhaupt noch eine Zukunft gibt. Nicht ohne Grund spielen Nachhaltigkeit und Verantwortungsbewusstsein eine immer größere Rolle für Unternehmen. Die Gesellschaft verlangt danach, sie fragt nach Werten, nach dem Sinn des Ganzen: 'Wozu das alles?' Unsere Wirtschaft, die sich immer schneller und immer mehr nur um sich selber dreht, gerät zunehmend in eine Rechtfertigungskrise.
Extras:- Infokasten: Giorgio Agamben – Leben und Werk
- Literaturtipps: Bücher von Agamben und eines über den italienischen Philosophen