Führung meets Coaching
Führung meets Coaching

Makroveränderungen durch Mikroaufgaben

Martin Wehrle erklärt, wie Führungskräfte mit winzigen Aufgaben Mitarbeitende unterstützen können, Verhaltensänderungen zu erreichen.

Vor einiger Zeit habe ich als Supervisor ein Gespräch zwischen einem Vertriebsleiter und seinem besten Verkäufer verfolgt. Der Verkäufer brachte zwar vorzügliche Umsätze, wurde den formalen Anforderungen aber nicht gerecht. Immer wieder blieb er Berichte, Dokumentationen und Prognosen schuldig, seine Rabattpolitik war zu freizügig. Manchmal reichte er Spesenquittungen aus dem Januar erst im Hochsommer ein. Alle Innendienstler rollten mit den Augen, wenn sie nur seinen Namen hörten.

Die Führungskraft sprach die vielen offenen Themen mit viel Fingerspitzengefühl an – wobei sie auch nicht vergaß, immer wieder die Verdienste des Starverkäufers und seine weit überdurchschnittlichen Umsatzzahlen hervorzuheben. Trotzdem saß der Mann da wie ein Häuflein Elend – und verließ das Mitarbeitergespräch mit einer To-do-Liste, die etwa so lang war wie die Chinesische Mauer. Ich hatte ein ungutes Gefühl, das sich bestätigten sollte.

Einen Monat später hatte der Verkäufer nichts, aber auch gar nichts, vom Vereinbarten umgesetzt. Die Erklärung lag für mich auf der Hand, denn ich fühlte mich an meine Anfänge als Coach erinnert: Damals hatte ich es für klug gehalten, den Menschen möglichst umfangreiche Hausaufgaben mitzugeben, nach dem Motto „Wenn schon, denn schon!“. Doch bald merkte ich, dass mit dem Umfang der Aufgaben die Motivation sank. Je mehr und je größere Aufgaben ich vergab, desto weniger wurde umgesetzt. Mehr brachte weniger, weniger ist auch in diesem Kontext, wie ich zunehmend erkannte, deutlich mehr.

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Der beste Weg, um eine Veränderung anzustoßen, sind winzige Aufgaben – so klein, dass sie sich jeder locker zutraut. Wenn jemand ein Sachbuch lesen will, es aber nie schafft, lautet die ideale Aufgabe nicht: Lies pro Tag zehn Seiten. Denn das kann schon abschreckend sein und dazu führen, dass das Buch erst gar nicht begonnen wird. Ideal ist die Aufgabe: Leg dir morgens das aufgeklappte Buch aufs Kissen. Und lies abends mindestens einen einzigen Absatz. Nur einen. Und dann passiert immer dasselbe: Die Menschen führen die Aufgabe, eben weil sie so klein ist, zuverlässig aus. Und weil sie ihre eigene Selbstwirksamkeit erleben und Fortschritte in der Sache machen, bekommen sie Lust auf mehr. Irgendwann lesen sie eben doch eine ganze Seite, dann fünf, dann zehn.

Dasselbe Prinzip gilt für die Führung: Wann immer Sie Menschen unterstützen wollen, ein eingeschliffenes Verhalten zu verändern, sollten Sie mit winzigen, dafür aber regelmäßigen Aufgaben anfangen. Aus der Saat dieser Mikroveränderungen entstehen oft nachhaltige Makroveränderungen. Eine einzige kleine, regelmäßige Aufgabe, die ihm leicht machbar erschienen wäre, hätte dem Starverkäufer mehr geholfen als die lange To-do-Liste, vor der er kapitulierte. Zum Beispiel die Aufgabe, jeden Tag vor Feierabend eine Minute lang Verkaufsdaten zu dokumentieren. Wirklich nur eine Minute. Und sobald er das regelmäßig geschafft hätte, wäre es Zeit für den nächsten kleinen Schritt gewesen. Viele Mikroveränderungen führen zu einer Makroveränderung.

Der Autor: Martin Wehrle ist Karrierecoach und Coachausbilder mit eigener Akademie in Hamburg. Sein aktuelles Fachbuch heißt „Die Coaching-Schatzkiste“. Kontakt: www.karriereberater-akademie.de

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