Führung meets Coaching
Führung meets Coaching

Konstruktive Mini-Fragen

Martin Wehrle erklärt, wie es mit konstruktiven Mini-Fragen gelingt, einen Richtungswechsel im Denken des Gegenübers zu bewirken.

Haben Sie es schon erlebt, dass Mitarbeitende Ihren Rat dauernd zurückweisen? Dass jede Möglichkeit, die Sie aufzeigen, zur Unmöglichkeit erklärt wird? So wie in diesem Fall, der kürzlich im Rahmen eines Coachings auf den Tisch kam: Eine Einkäuferin beklagte sich bei ihrem Chef über einen Zulieferer. „Die verpennen neuerdings jeden Liefertermin.“ Die Führungskraft antwortete: „Dann lass das deren Vertriebschef doch mal wissen!“ Die Mitarbeiterin lachte auf: „An ihm liegt es doch! Das bringt nichts.“ Die Führungskraft dachte nach und sagte: „Dann protokolliere die Verzögerungen. Und ich beschwere mich auf dieser Grundlage.“ Die Mitarbeiterin schüttelte hektisch den Kopf: „Das wäre doch ein falsches Signal, wenn ich sofort dich einschalte. Dann nehmen die mich erst recht nicht mehr ernst.“ Ihr Chef hob zu einem dritten Vorschlag an: „Und wie wäre es, wenn wir am Markt mal Alternativen zu diesem Zulieferer recherchieren?“ Die Einkäuferin verzog ihr Gesicht: „Das würde doch ewig dauern, bis wir uns aufeinander eingeschossen hätten.“

Die Gründe für eine solche Kontrakaskade sind meist nicht sachlicher, sondern psychologischer Natur. Vorschläge werden als Schläge empfunden, Appelle entfalten eine paradoxe Wirkung. Im Coaching gibt es ein einfaches Mittel, um so eine Kaskade erst gar nicht entstehen zu lassen. Die erste Ablehnung wird als Bande in eine konstruktive Richtung genutzt. Dazu eignen sich kurze, aber enorm wirkungsvolle Interventionen: Mini-Fragen. Die Führungskraft aus dem Beispielfall könnte etwa fragen: „Und stattdessen?“ Diese zwei Wörter haben es in sich: Eine Person, die gerade noch auf der Nein-Schiene fuhr, wird zum Abbiegen ins konstruktive Denken eingeladen. Statt zu sagen, was nicht geht, soll sie benennen, was funktioniert.

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Auf eine solche Frage erfolgt womöglich ein längeres Schweigen; denn dieser Richtungswechsel im Denken will erst mal vollzogen sein. Diese Pause gilt es auszuhalten und dem Reflex zu widerstehen, sie sofort mit Worten zu füllen. Vielleicht kommt aber auch direkt ein brauchbarer Vorschlag; manchmal sicher auch ein Satz wie: „Ich weiß es nicht.“ Dann gilt es, denselben Weg erneut einzuschlagen: „Du hast gesagt, dass ein Gespräch mit dem Abteilungsleiter keine gute Idee sei. Was schlägst du stattdessen vor?“

Solche (wiederholten) Mini-Fragen lenken den Blick nicht nur von der Sackgasse auf die freien Wege. Mit ihnen wird auch signalisiert, dass man dem Gegenüber Lösungskompetenz zutraut. Da leicht ein Rat als Schlag empfunden wird, wird eine solche Mini-Frage daher oft (zu Recht) als Wertschätzung verstanden.

Die Wortwahl lässt sich variieren, gute Alternativen zu „stattdessen“ sind: „Sondern?“, „Dein Vorschlag?“, „Was dann?“ Je kürzer, desto besser. So wird der Ball direkt an den Gesprächspartner oder die Gesprächspartnerin zurückgespielt. Zu viele Worte verführen dagegen oft zu einer Metadiskussion, während der die Lösungssuche in den Hintergrund rückt. Oft führen diese kurzen Interventionen zu Lösungen mit Langzeitwirkung. Eine zusätzliche Langzeitwirkung: Die Selbstständigkeit und Selbstverantwortung im Team wird gestärkt.

Der Autor: Martin Wehrle ist Karrierecoach und Coachausbilder mit eigener Akademie in Hamburg. Sein aktuelles Fachbuch heißt „Die Coaching-Schatzkiste“. Kontakt: www.karriereberater-akademie.de

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