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Übersicht AnsprechpartnerBeitrag von Martin Wehrle aus managerSeminare 295, Oktober 2022
Fragen und Antworten stehen in einem systemischen Zusammenhang. Wer oberflächliche Antworten bekommt, sollte prüfen, ob er oberflächlich fragt. Denn was passiert, wenn ein Gesprächspartner eine erwartbare Frage hört? Dann zieht er eine erwartbare Antwort aus dem Hut. Deshalb besteht die Kunst einer coachenden Gesprächsführung darin, Standardfragen so zu verändern und zu präzisieren, dass sie neue Denkprozesse anstoßen.
Aber wie kann das gelingen? Angenommen, ich will mich als Führungskraft erkundigen, ob ein neues Tool wie gewünscht funktioniert. Dann wäre eine zu erwartende Standardfrage: „Funktioniert das neue Tool?“ Wenn ich jetzt ein Ja höre, macht mich das nicht schlauer. „Funktionieren“ kann auch bedeuten: Es funktioniert schlecht. Oder es wird nur widerwillig eingesetzt. Oder es wird, obwohl es funktioniert, kaum verwendet. Geschlossene Standardfragen führen dazu, dass Informationen nur spärlich fließen. Oder vielleicht lautet die Antwort auch nur deshalb „Ja“, weil die Frage den Eindruck erweckt, dass genau das erwünscht ist.
Aber wie ließe sich dieselbe Frage so stellen, dass Menschen wirklich zum Reden angeregt werden? Zum Beispiel so: „Welche deiner Erwartungen an das neue Tool wurden erfüllt – und welche eher nicht?“ Diese differenzierte Frage zwingt das Gegenüber, die eigenen Erwartungen zu reflektieren und sie mit der Praxis abzugleichen. Damit bekommt die Frage eine subjektive Note, stößt einen Denkprozess an und wird sofort interessanter. Ebenso lädt der zweite Teil der Frage – „und welche eher nicht?“ – zu einer kritischen Rückmeldung ein.
Weiteres Beispiel: Ich will als Führungskraft herausfinden, ob ein neuer Mitarbeiter das Team bereichert. Eine Standardfrage wäre: „Bringt der Neue unser Team voran?“ Die Frage deutet schon an, welche Antwort ich hören will, erst recht, falls ich den Neuen selbst eingestellt habe. Wer jetzt Ja sagt, macht es mir recht. Und Menschen neigen genau dazu, vor allem gegenüber Führungskräften. Dagegen würde eine Skalen-Frage wesentlich differenziertere Informationen liefern: „Wie gut verstärkt der Neue unser Team – auf einer Skala von 1 (für gar nicht) bis 10 (für ganz außerordentlich)?“ Die erste Frage stellt man eher nebenbei und hat die Antwort schon im Kopf. Aber die zweite Frage wird getragen von wahrem Interesse. Hier will jemand eine genaue und ehrliche Antwort wirklich hören.
Vor jeder wichtigen Frage, die wir stellen wollen, gilt es zu überlegen: Wie kann ich verhindern, dass es eine lustlose Standardfrage wird? Wie kann ich eine Formulierung wählen, die mein Gegenüber dazu einlädt, Farbe zu bekennen? Wie muss die Frage klingen, damit ich gespannt auf die Antwort bin, statt sie schon im Kopf zu haben? Solche Fragen erfreuen nicht nur diejenige, die sie beantworten darf – sondern auch denjenigen, der sie stellt. Man wird durch die Antworten oft überrascht und wirklich schlauer.
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