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Übersicht AnsprechpartnerBeitrag von Martin Wehrle aus managerSeminare 276, März 2021
Zu wissen, was Beschäftigte denken, ist für den Führungsjob essenziell. Es macht einen großen Unterschied, ob jemand ein Projekt für einen Geniestreich der Geschäftsführung hält oder es als Klotz an seinem Bein sieht. Wer überzeugt von einer Sache ist, betreibt sie mit Herzblut und kann andere überzeugen. Wer dagegen Zweifel hegt, fährt mit angezogener Handbremse und überträgt seine Bedenken auf andere. Die Rolle der Führungskraft gleicht in diesem Aspekt der eines Taxifahrers: Wer jemanden abholen will, muss vorher wissen, wo dieser gerade steht.
Aber wie lassen sich die aktuellen Standpunkte herausfinden? Das ist ein schwieriges Unterfangen, vor allem, wenn ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin komplett anderer Meinung ist als die Führungskraft oder die Geschäftsführung. Wer das ausspricht, hat Sorge, seiner Karriere damit zu schaden. Dass sie Erwünschtes sagen und Unerwünschtes für sich behalten, dazu werden Menschen schon in der Schule erzogen.
Im Coaching gibt es einen Fragetyp, der auf elegante Weise die Meinung ans Licht lockt: die Übereinstimmungsfrage. Der Name ist Programm, denn statt sich auf die Abweichung zu konzentrieren, erkundet diese Frage ebenso die Übereinstimmung. Damit baut sie eine diplomatische Brücke. Denn wer beides sagen kann, Ja und Nein, riskiert weniger als bei reinem Widerspruch. Und erfahrungsgemäß ist keine Person völlig gegen oder für eine Sache: Den einen Ansatz teilt sie, den anderen lehnt sie ab. Diese Frage hilft ihr, die eigene Position differenzierter zu sehen, und sie stärkt ihre konstruktiven Kräfte.
Angenommen, eine Bereichsleiterin hat eine neue Prozessstruktur vorgeschlagen und möchte von einem Abteilungsleiter dazu eine Rückmeldung – dann könnte sie fragen: „Nun interessiert mich sehr: In welchen Punkten findest du die Struktur gut? Und bei welchen Punkten siehst du Verbesserungsbedarf?“ Diese Übereinstimmungsfragen gehen davon aus, dass der Abteilungsleiter die Struktur in einigen Punkten gut und in anderen verbesserungsbedürftig findet. Sein Geist erhält einen entsprechenden Suchauftrag, den er sehr wahrscheinlich auch ausführt. Heißt, die Bereichsleiterin wird in seiner Antwort beides erfahren: welche Punkte ihm gefallen und welche er kritisch sieht.
Aber ist es überhaupt klug, Beschäftigte zu einer kritischen Sicht auf die eigene Arbeit als Führungskraft einzuladen? Weckt man damit nicht schlafende Hunde? Im Gegenteil, denn alle Bedenken, die man kennt, können entweder berücksichtigt oder entkräftet werden. Zum Beispiel weisen Entscheidungen des Managements oft Mängel aufgrund von Praxisferne auf, und die lassen sich durch offene Rückmeldungen in der Regel gut beheben. Dagegen wäre ein heimlicher Widerstand viel gefährlicher, denn solche geistigen Schwelbrände lassen sich nicht löschen, sie ziehen Frustration und schlechte Arbeitsergebnisse nach sich.
Am Ende die Frage: Inwiefern teilen Sie meine Meinung, dass Übereinstimmungsfragen ein nützliches Führungsinstrument sind? Und in welchen Situationen wollen Sie bewusst andere Wege gehen? Falls Sie erkannt haben, dass das gerade eine Übereinstimmungsfrage war: Willkommen im Coaching-Klub!
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