Führung

Entfesselt arbeiten
Entfesselt arbeiten

Die lebendige Organisation

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Viele Unternehmen sind wie erstarrt in Prozessen und Strukturen – Prozessen und Strukturen, die den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unsichtbare Fesseln anlegen, die ihnen ihre Energie, ihren Elan und ihre Experimentierfreude rauben. Wie aber holt man sie zurück ins Unternehmen, die fehlende Lebendigkeit? Die Prozessbegleiterin Silke Luinstra ist überzeugt: Dafür braucht es ein konsequentes Umdenken. Mit ein paar New-Work-Methoden hier und da ist es nicht getan.

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Drückende Knoten: Was den Menschen in Organisationen die Lebendigkeit raubt

Boote bauen lassen statt ins Boot holen: Was gute Führung wirklich ausmacht

Sinnfragen thematisieren: Warum darüber geredet werden muss, wenn Profit und Purpose gegeneinanderstehen

Verhandlungspartner, nicht König: Wie Augenhöhe richtig verstanden wird 

Selbstorganisation ohne Selbstüberlassung: Warum man Autopoiese respektieren, aber trotzdem gestalten muss

Selber denken, selber machen: Warum es in die Irre führt, Organisationsmodelle zu kopieren 


Cover managerSeminare 278 vom 23.04.2021Hier geht es zur gesamten Ausgabe managerSeminare 278

Ich dachte lange, mit mir stimmt etwas nicht. Zum Beispiel damals, Ende der 1990er-Jahre, als ich Referentin für internationale Personal- und Organisationsentwicklung in einem global tätigen Pharmaunternehmen war. Man war dort sehr zufrieden mit meiner Leistung, an Wertschätzung mangelte es mir nicht. Auch meine Aufgaben fand ich meist spannend. Trotzdem war da ein unbestimmtes Gefühl in der Magengegend. Danach arbeitete ich in einem kleinen Beratungsunternehmen, eine Tätigkeit, die mir Freude machte – und dennoch: Irgendetwas stimmte immer noch nicht. Alle anderen schienen es ganz normal zu finden, was um sie herum passierte. Sie handelten Budgets aus. Sie schrieben Berichte. Sie bereiteten Zahlen fürs Controlling auf. Sie vereinbarten Ziele. Sie strichen Boni ein – und mein Bauch funkte SOS.

Dass dies vielleicht gar nichts mit mir persönlich zu tun haben könnte – dieser Gedanke kam mir erst später, als mir in einer Bahnhofsbuchhandlung das Buch „Bessere Ergebnisse durch selbstbestimmtes Arbeiten“ („Why Work Sucks and How to Fix It“) von Cali Ressler und Jody Thompson in die Hände fiel. Als ich darin Sätze las wie: „Wir gehen zur Arbeit und geben unser Bestes. Dabei werden wir behandelt wie unmündige Kinder, die Bonbons stibitzen, wenn man ihnen nicht auf die Finger schaut“, begann ich zum ersten Mal, mich zu fragen: Könnte es sein, dass an mir gar nicht so viel falsch war, sondern an der Arbeitswelt?

Ich fühlte auch mit einem Mal deutlicher, was eigentlich mit mir los war. Dass ich mich fühlte, wie von unsichtbaren Seilen gefesselt, die ich bis dahin nur schwer hatte identifizieren können: all die Zielvereinbarungen, Berichtszwänge und Kontrollen, etwa von Arbeitsort und Arbeitzeit. Wie oft erntete ich – damals, im Pharmaunternehmen – schiefe Blicke von Kollegen, wenn ich, weil es eher meinem Biorhythmus entsprach, erst um neun Uhr im Büro aufschlug, während die anderen schon um sieben Uhr da waren. Wie oft wurde ich von wohlmeinenden Führungskräften und Betriebsräten, wenn ich – was öfter mal vorkam – um 19 Uhr noch im Büro war, freundlich gebeten, doch nun Feierabend zu machen. Zumal die Zeiterfassung zu diesem Zeitpunkt abgestellt wurde. Dabei wollte ich meine Gedanken gern noch zu Ende führen. Bloß ein Beispiel für vieles in der Arbeitswelt, das mir – selbst wenn es gut gemeint war – das Gefühl gab, wie gefesselt zu sein. In meiner Lebendigkeit blockiert.

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