Es besteht kein Zweifel mehr: Auch 2003 ist mit einem Wirtschaftswachstum von mikroskopischen Ausmaßen zu rechnen. Das bedeutet: Der Existenzkampf vieler Unternehmen wird sich noch verschärfen und die Entlassungswelle, die durch die Lande schwappt, nicht so bald verebben. Entsprechend mies ist die Stimmung in den Betrieben. Dies jedenfalls hat erst kürzlich eine Umfrage der Internet-Börse StepStone unter gut 600 Arbeitnehmern ergeben: Fast 70 Prozent der Befragten gaben an, dass sich die Mitarbeiter in ihrer Firma auf Grund des Konjunkturtiefs neuerdings eher als Konkurrenten denn als Kollegen betrachten - und entsprechend behandeln.
Die rigorose Kündigungspolitik vieler Firmen und der interne Konkurrenzkampf sind Auswüchse eines Phänomens, das der Saarbrücker Betriebswirtschaftsprofessor Dr. Christian Scholz schon seit längerem beobachtet und auf den Namen “Darwiportunismus” getauft hat. Wie die Wortschöpfung erkennen lässt: Aus Sicht von Scholz prägen v.a. zwei Prinzipien das heutige Wirtschaftsleben: der kollektive Darwinismus des Marktes, der dafür sorgt, dass Firmen, die an die aktuellen Bedingungen nicht optimal angepasst sind, von der Bildfläche verschwinden. Und der individuelle Opportunismus von Betrieben und Einzelpersonen, die - wenn nötig auch auf Kosten ihrer Mitarbeiter bzw. Arbeitgeber - versuchen, ihre Situation zu optimieren. “Weder können sich Unternehmen ihres Fortbestandes am Markt gewiss sein, noch Mitarbeiter ihrer Arbeitsplätze”, so Scholz.
“Spieler ohne Stammplatzgarantie” lautet deshalb auch der Titel des Buches, das der BWL-Professor über den Darwiportunismus verfasst hat. Die bisherige Rückmeldung des Autors: “Die meisten halten die Lage für völlig richtig geschildert.” Was schon etwas heißen will, kritisiert der Professor doch v.a. die Tatsache, dass diese Situation zumindest von Personalverantwortlichen beharrlich geleugnet wird.
Extras:
- Info-Kasten: Die fünf Irrtümer der Unternehmen im Umgang mit Darwiportunismus.
- Info-Kasten: Personalentwicklung im Zeichen von Darwiportunismus.