Was in Aufstellungen passiert, ist rätselhaft: Da stehen Menschen im Raum, repräsentieren fremde Personen und äußern Wahrnehmungen, die von ihrer Position in der Aufstellung abhängig sein sollen. Esoterik? Offenbar nicht. Peter Schlötter, Doktorand der Uni Witten/Herdecke, ist der Nachweis gelungen, dass die Konstellation auf den Menschen wirkt.
Herr Schlötter, Sie haben systemische Aufstellungen empirisch erforscht. Was haben Sie herausgefunden?
Peter Schlötter: Ich habe herausgefunden, dass es kein Zufall ist, was in Aufstellungen passiert. Was die Repräsentanten wahrnehmen, ist tatsächlich von den Stellungen im Raum abhängig.
Wie sind Sie zu dieser Erkenntnis gelangt?
Peter Schlötter: Ich habe fast 4.000 Einzelversuche mit 250 verschiedenen Personen durchgeführt. Ein und dasselbe Phänomen - die Wahrnehmung der Repräsentanten - wurde in den Versuchsreihen immer wieder mit unterschiedlichen Personen und in verschiedenen Versuchssettings analysiert. In den Versuchen habe ich mit lebensgroßen Figuren gearbeitet, womit jede Wechselwirkung ausgeschaltet und damit objektive Wiederholbarkeit gewährleistet war: Person A erlebte in einem Versuchsaufbau das Gleiche wie Person B, wenn sie zwischen den Figuren stand.
Beschreiben Sie die Versuche doch bitte genauer.
Peter Schlötter: Eine Person betritt einen Raum mit einer Figurenkonstellation, nimmt den Platz einer Figur ein und wird per CD gebeten, ihre Wahrnehmung zu äußern. Es war faszinierend, wie ähnlich die Versuchspersonen - so unterschiedlich sie auch waren - reagierten: Ein signifikant hoher Anteil nahm am gleichen Standort Ähnliches wahr. In einem anderen Versuchssetting ordnete ich eine Lösungsaufstellung an und die Versuchsperson konnte sich völlig unbeeinflusst einen angenehmen Platz darin suchen. Auch hier das Ergebnis: Ein signifikant hoher Anteil der Probanden stellte sich in die Nähe des Platzes oder sogar auf den Platz, der aus Sicht eines Beraters der günstigste für die betreffende Person wäre.
Die Wahrnehmung des Repräsentanten hängt also vom Standort ab. Aber warum ist das so?
Peter Schlötter: Darüber sagt uns meine Forschung zunächst nichts. Übrigens ebensowenig, wie sie uns etwas darüber sagt, ob die Wahrnehmung der Repräsentanten wirklich der Situation der Personen im realen System entspricht. Die Ergebnisse sagen nur: Ich kann in die Aufstellung stellen, wen ich will - tendenziell empfinden alle das Gleiche. Die tiefere Ursache dafür können wir nur vermuten. Meine These dazu ist - anknüpfend an den Experten Matthias Varga von Kibéd -, dass hier eine Art Symbolsprache wirkt. Die Stellungen im Raum werden wie Zeichen gelesen. Da steht z.B. eine Person und sieht: 'Dort drüben steht einer zwei Meter entfernt, der ist wichtig. Da hinten stehen noch weitere. Aber hier sind zwei ganz nah und verdecken mich fast. In diesen Unternehmen hab’ ich ja gar nichts zu sagen.'
Das bedeutet also, die Person interpretiert einen Sinn in die Aufstellung hinein.
Peter Schlötter: Ja, schon, aber das ist bei jeder anderen Zeichensprache auch der Fall. In der Aufstellung geht die Interpretation allerdings mit einem hohen Anteil an Intuition einher. Und diese Intuition stimmt bei vielen Menschen auffällig überein. Was wohl daran liegt, dass wir von klein auf daran gewöhnt sind, soziale Beziehungen als räumliche Beziehungen zu erleben. Das zeigen auch Redewendungen wie 'Er wendet sich ab' oder 'Meine Eltern stehen hinter mir'. Da braucht man gar nicht mehr viel zu erklären - der andere weiß intuitiv, was gemeint ist.
Das Forschungsprojekt in Stichpunkten
- Der Forscher: Dr. Peter Schlötter, Berater und Therapeut, promovierte an der Uni Witten/Herdecke bei Prof. Dr. Fritz B. Simon.
- Der Untersuchungsgegenstand: die Systemaufstellung.
- Das Forschungsziel: Klärung der Frage, ob die Wahrnehmungen, die Menschen in Aufstellungen haben, zufällig sind oder nicht.
- Das Setting: Fast 4.000 Einzelversuche mit 250 Personen. Vier Versuchstypen mit einer Gemeinsamkeit: Ein Proband steht mit einer Gruppe von Figuren zusammen; es gibt keine persönliche Kommunikation mit der Versuchsleitung.
- Das Ergebnis: Die Wahrnehmungen bzw. Handlungen der Probanden stimmen mit sehr hoher Signifikanz überein (Irrtumswahrscheinlichkeit kleiner 0,1 Prozent im Multiple-Choice-Setting).
- Die Schlussfolgerung: Es hängt von der Figuren-/Personenkonstellation ab bzw. seinem Standpunkt darin, was ein Mensch in einer Aufstellung wahrnimmt. Dies deutet darauf hin, dass es eine Symbolsprache gibt, die in Aufstellungen zum Tragen kommt.
Die Dokumentation: Der 40-minütige Film 'Vertraute Sprache und ihre Entdeckung' über die Forschungsarbeit kann für 25 Euro unter e-Mail ps@p-schloetter.de oder www.carl-auer.de bestellt werden. Im Carl-Auer-Verlag ist zudem die gleichnamige Studie unter ISBN 3-89670-338-2 erschienen. Kosten: 24,95 Euro.