'Training oder wie man Psychoklamauk an Manager verkauft...'. 'Coaching oder wie man aus Unternehmen Kindertagesstätten macht...' - Bereits die Kapitelüberschriften in Reinhard Sprengers neuem Buch 'Aufstand des Individuums' machen klar: Der prominente Berater will auch dieses Mal kein Blatt vor den Mund nehmen.
Streng subjektiv wie seine Fans ihn kennen, entlarvt Sprenger die inzwischen inflationär gebrauchte Aussage 'Mitarbeiter sind das wichtigste Kapital eines jeden Unternehmens' als Lippenbekenntnis. Seine Schelte gilt den - wie er sie nennt - egalisierenden Unternehmen. In diesen stört das Individuum, alles wird daher daran gesetzt, es passend zu machen. Entsprechend analysiert Sprenger mit gewohnt scharf gewählten Worten alle mithin bekannten Instrumente des Messens, Bewertens und Veränderns - von der 360°-Beurteilung, die er als Totalüberwachung empfindet, über das Coaching, das Chefs in seinen Augen zu potenten Spendern macht und Mitarbeiter zu Rat suchenden Empfängern stempelt, bis hin zur Personalentwicklung, die für ihn eine institutionalisierte Aufforderung zur Dauerunzufriedenheit darstellt. Lebenslanges Lernen ist für ihn nur ein schamloser Trick der Chefetage, um Mitarbeiter klein zu halten.
'Alle Managementmethoden scheitern an nicht akzeptierter Individualität', so seine These. Folglich plädiert er für das individualisierende Unternehmen, das im zweiten Teil seines Buches genauer umrissen wird. Dieses ist um den Menschen herum gebaut und verfügt über flexible Strukturen, die nicht über Kontrolle, sondern durch Vertrauen zusammengehalten werden. Sprenger fordert eine Führung, die im Mitarbeiter den individuellen Einzelnen sieht - sein Buch will er daher auch als Liebeserklärung ans Individuum verstanden wissen.
'Bücher über das How to do der Mitarbeiterführung sind so originell geworden wie die Verachtung von Gartenzwergen', weist Sprenger von vornherein alle Erwartungen an Managementrezepte von sich. So hat er mit 'Aufstand des Individuums' vielmehr ein Lesestück vorgelegt, das Grundsätzliches zu Sprache bringt und Zeit zum Drübernachdenken einfordert. 'Es ist unmöglich, Staub wegzublasen, ohne dass jemand hustet', rechtfertigt Sprenger seinen Verzicht auf Neutralität. Recht hat er: Nach der streitbaren Lektüre werden Instrumenten-Gläubige mächtig nach Luft schnappen.
Reihnard K. Sprenger: 'Aufstand des Individuums. Warum wir Führung komplett neu denken müssen.' Campus 2000, ISBN 3-593-36560-X, 49,80 Mark.