Die Basis für alle Ökonomie – das lernen Wirtschaftsstudenten bereits im ersten Semester – ist der Mangel. Der Mangel an Gütern bewegt die Märkte und treibt die Preise, der Mangel an Arbeitskraft beschränkt die Produktion und hebt die Löhne, der Mangel an Kapital begrenzt Wachstum und zwingt zu wirtschaftlichen Wagnissen. Hinzu kommen andere Begrenzungen, sei es Wissen, Zeit oder Raum, die wirtschaftliches Handeln erst notwendig und lukrativ machen. Knappheit ist der Motor dieser Welt aus Arbeit, Geld und Warenströmen, das ist eine unverrückbare ökonomische Gewissheit.
Nicht für Georges Bataille. Der französische Philosoph mit dem tiefen Sinn für die Abgründe des Lebens gehört zu den ungewöhnlichsten Denkern des 20 Jahrhunderts. Der Zeitzeuge der Weltkriege und anderer zivilisatorischer Katastrophen des vergangenen Jahrhunderts wirft einen höchst unkonventionellen Blick auf die Welt und erklärt scheinbar Altbekanntes auf ganz neue Weise. Was ist die Macht, nach der so viele streben? Was ist Liebe, was das Begehren? Was heiligt das Leben und worin hat das Böse seine ultimative Grenze? Fragen wie diesen ist Bataille auf der Spur. Auch nach der Ökonomie fragt er, ohne die doch nichts zu funktionieren scheint: Warum gibt es sie überhaupt? Was macht sie aus? Seine Antwort ist überraschend: Nicht der Mangel, sondern der Überfluss treibt die Wirtschaft an – und sorgt für ihre Probleme.
Anders als die bis heute herrschende Lehre glaubt Bataille keineswegs an negative Triebkräfte wie Mangelerfahrungen und Bedürftigkeit und ebensowenig an die daraus resultierende Notwendigkeit zur Nutzen- und Profitmaximierung. Erfolgreiches oder wahres Wirtschaften ist für ihn mit diesen Begriffen nicht zu fassen, denn es gründet in ganz anderen Voraussetzungen: Seiner Ansicht nach muss die Ökonomie der Welt 'immer in Begriffen des Luxus gedacht werden'.
Extra:- Georges Bataille: Kurzbiografie, Werk und Wirkungen im Ãœberblick