Öffentlicher Kritik im Internet sind Unternehmen immer stärker ausgesetzt. Nicht nur über ihre Produkte tauscht sich die Community eifrig aus. Mittlerweile stehen Firmen auch als Arbeitgeber im Kreuzfeuer der öffentlichen Meinung. Das birgt Risiken, aber auch Chancen für die Betriebe.
Ob Handys, Haarshampoos oder Lehrer: Alles unterliegt heute dem gnadenlosen Urteil der Web-2.0-User, die die neuen Mitmach-Möglichkeiten des Internets nutzen, um Lob oder Kritik an die weltweite Webgemeinde loszuwerden. Unternehmen müssen die Macht der Konsumenten neuerdings nicht nur fürchten, wenn es um Bewertungen ihrer Produkte geht. Auch als Arbeitgeber stehen sie im digitalen Rampenlicht. Bereits 2006 ging mit www.jobvoting.de ein deutsches Internetportal an den Start, auf dem sich nicht nur Informationen zur Jobsuche, Interaktionsmöglichkeiten und redaktionelle Testberichte über Unternehmen finden, sondern das darüber hinaus jedermann die Möglichkeit bietet, ein Urteil über seinen (Ex-)Brötchengeber abzugeben.
Eine weitere deutschsprachige Plattform zur anonymen Arbeitgeber-Bewertung kam jüngst hinzu: Im Juni 2007 öffnete www.kununu.com seine virtuellen Pforten – und konnte bereits drei Monate nach dem Start mehr als 1.100 Bewertungen von 800 Unternehmen vorweisen. Gründer von Kununu (auf Suaheli bedeutet das Wort übrigens „unbeschriebenes Blatt“) ist der Wiener Martin Poreda. Den Anstoß, mit dem Bewertungsportal online zu gehen, gaben ihm seine eigenen Erfahrungen bei der Suche nach einem Arbeitsplatz: „Ich googelte nach Informationen über Arbeitsverhältnisse in den Firmen, um eine Entscheidungshilfe zu erhalten. Aber ich fand außer den PR-Texten auf den Firmen-Webseiten keinerlei Informationen aus erster Hand“, berichtet Poreda. Sein Portal soll Jobsuchenden nun diese hautnahen Infos liefern. Poreda ist überzeugt: „Die Black-Box Arbeitgeber ist durch Kununu keine mehr.“
Ungerechte Urteile aus Frust?
Ob die Bewertungen auf den Portalen allerdings tatsächlich so viel Transparenz in den Ar-beitgebermarkt bringen wie die Betreiber es sich erhoffen, wird von Kritikern bezweifelt. Beispiel Fitness Company: Deutschlands größter Filialbetreiber von Fitness-Clubs ist in einer Bewertung auf dem Portal Jobvoting eher schlecht weggekommen und findet das Urteil ungerecht. Vor allem wegen der Pauschalisierung, die daraus folgt, wenn eine einzelne Person über eine einzelne Filiale urteilt. „Das Gesamtbild der anonymen sowie subjektiven Beurteilung spiegelt nicht die Realität der Arbeitskultur in der Fitness Company wider. In bundesweit 106 Fitness-Clubs ist es durchaus möglich, dass die wahrgenommene Arbeitskultur im jeweiligen Club regional unterschiedlich sein kann, da sie wesentlich von den handelnden Personen vor Ort geprägt ist“, betont Fitness-Company-Sprecherin Sabine Blattert.
Die Betreiber indes sehen das Problem mangelnder Repräsentativität einzelner Bewertungen gelassener. „Wenn Sie mich fragen, ab welcher Anzahl eine Bewertung hilfreich ist: bereits ab einer einzigen“, zeigt sich Martin Poreda überzeugt. Gleichwohl sind die Betreiber bemüht, die Anzahl der Bewertungen zu erhöhen. Erst kürzlich ist Jobvoting eine Kooperation mit der österreichischen Plattform Kelzen eingegangen, um zu einer höheren Zahl Votierender zu gelangen und somit mehr Objektivität ins Spiel zu bringen, wie Jobvoting-Gründer Ronny Skrzeba, berichtet. Um die Objektivität zu verbessern, setzen die Plattformen zudem auf redaktionelle Prüfungen und die Option, Beschwerden einzureichen.
Die Gründer glauben, dass ihre Internetseiten letztlich auch den Unternehmen weiterhelfen, indem sie sie dazu zwingen, an ihrer Qualität als Arbeitgeber zu arbeiten. Meike Wacker vom Berliner trendence Institut für Personalmarketing sieht das ähnlich. Sie weiß zwar, dass viele Unternehmen die Internet-Seiten auf den ersten Blick für unkalkulierbar halten. „Sie fürchten, dass frustrierte Mitarbeiter oder ehemalige Kollegen hier eine Bühne für ihre Abrechnung mit dem Ex-Arbeitgeber finden könnten“, so die Personalmarketing-Expertin. Doch bei genauerem Hinsehen könnten Unternehmen erkennen, dass sich ihnen durch Portale wie Jobvoting und Kununu auch neue Chancen im Personalmarketing böten. „Die Portale sind nämlich interessante Anknüpfungspunkte zu technikaffinen Millenials und bieten Potenzial für neue Kommunikationswege“, lautet Wackers Einschätzung. Im Übrigen zeigt sich die Fachfrau überzeugt: „Wer konsequent in Aufbau und Pflege seiner Employer-Brand investiert, braucht sich keine Sorgen um die eigenständige Dynamik des Web 2.0 zu machen.“