Herr Graf, Sie sprechen in Bezug auf Honorarentwicklung eine Warnung aus, Warum?
Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen waren in den vergangenen Jahren in Deutschland außergewöhnlich gut. Unter diesen Voraussetzungen geht man eigentlich davon aus, dass auch in der Weiterbildungsbranche die Geschäfte laufen und Honorare nicht unter Druck geraten. Genau das aber geschieht. Das trifft vor allem langjährig tätige und erfahrene Weiterbildner, die bereits ein höheres Honorarniveau erreicht haben und nun merken, dass sich ihre Auftraggeber immer häufiger kompromisslos zeigen: „Das ist unser Limit, mehr zahlen wir nicht!”
Eine kurze Liste, was drückt die Honorare für Weiterbildner?
In der jüngsten Vergangenheit waren die Gründe für kriselnde Geschäfte der Weiterbildungsbranche klar auszumachen: Platzen der New-Economy-Blase, 9/11, die globale Finanzkrise. Kurz, es lag an der gesamtwirtschaftlichen Situation.
Gegenwärtig ist das anders und es kommen viele Faktoren zusammen: die Sondersituation in der Automobilbranche, die zwischen Dieselaffäre und E-Antrieb tatsächlich vor existenziellen Veränderungen steht. Veränderte Entscheidungsinstanzen in Unternehmen, in denen die Einkaufsabteilung über Weiterbildungsmaßnahmen entscheidet – nach strengen Kostenkriterien. Eine neue Generation von Führungskräften in Unternehmen, die mit einem anderen Arbeitsethos zu Werke geht und mit der Digitalisierung ganz selbstverständlich groß geworden ist. Diese verlangt auch nach einer anderen Art der Weiterbildung, die unmittelbar an der eigenen Lebenswelt andockt.
Das online-basierte Lernen ist endgültig in der Unternehmensrealität angekommen. Mit dem Angebot klassischer Präsenzseminare stehen Weiterbildner nicht mehr nur in Konkurrenz zu anderen – ggf. preiswerteren – Wettbewerbern, sondern in Konkurrenz zu einem gänzlich neuen Lernformat, das mehr Produkt als Dienstleistung ist. Und ein Produkt hat gegenüber einer Dienstleistung klare Vorteile: Es erlaubt Wahlfreiheit und Autonomie in der Nutzung, es ist zeitlich und örtlich unbegrenzt verfügbar, es ist skalierbar und damit auch von den Kosten nahezu konkurrenzlos günstig.
Gibt es einen Lichtblick? Was können Weiterbildungsanbieter dagegen tun?
Die Digitalisierung verändert unmittelbar die Arbeit der Weiterbildner. Aber auch online-basierte Lernangebote brauchen didaktische Expertise. Und natürlich können sie nicht klassische Face-to-Face-Trainings eins zu eins ersetzen. Die professionelle Verzahnung ist gefragt und hier können und müssen Weiterbildner ihre Kompetenz einbringen. Das setzt natürlich voraus: Nur wer agiert statt reagiert, sichert sich einen Wettbewerbsvorsprung und wird weiterhin gut im Geschäft bleiben.
Ein zweiter Punkt: Nur ein gutes Drittel der befragten Weiterbildner sieht sich aktuell in der Lage, ihre Dienstleistung auch in einer Fremdsprache anzubieten – sprich: Trainings und Workshops beispielsweise in Englisch durchzuführen. Dabei belegt auch diese dritte Honorarstudie nach 2012 und 2015: Es gibt keinen größeren Hebel als eben diese Fremdsprachenkompetenz, um seine Honorarsätze signifikant zu steigern und zugleich die eigene Auslastung deutlich zu erhöhen. Wir reden hier über Umsatzsteigerungen von über 50 Prozent. Um es klar zu sagen: Fremdsprachenkompetenz ist der Türöffner zu global agierenden Unternehmen, die nach wie vor lukrative Tagessätze zu zahlen bereit sind. Es ist erstaunlich, wie viele Weiterbildungsanbieter dieses Potenzial immer noch ungenutzt lassen.
Auf welcher Grundlage bewerten Sie die Honorare auf dem Weiterbildungsmarkt?
Bei den 1.143 Studienteilnehmern handelt sich maßgeblich um Leserinnen und Leser des Verlags managerSeminare – Abonnenten der Fachzeitschriften managerSeminare und Training aktuell sowie Käufer einschlägiger Fachbücher. Die Teilnehmer bilden damit sicherlich nicht den Weiterbildungsmarkt in seiner Gänze ab, stehen aber für eine klar definierte Klientel: Sie sind fast ausnahmslos im Business-Bereich tätig und trainieren, coachen, beraten Führungs- und Fachkräfte in personalen, sozialen und methodischen Kompetenzen. Soft Skills und Schlüsselqualifikationen sind also die inhaltlichen Schwerpunkte.
Die aktuelle Honorarstudie ist die dritte, die wir nach 2012 und 2015 im dreijährigen Rhythmus durchgeführt haben. Die freiwillige Teilnahme bringt es mit sich, dass Zahl und Zusammensetzung der Befragten wechseln. Die Rahmendaten, die wir im Zuge der Befragung erheben – u.a. Qualifikationshintergrund, Berufserfahrung, Tätigkeit für Branchen und Zielgruppen – weisen jedoch ein sehr homogenes Bild der teilnehmenden Weiterbildner aus. Die erhoben Daten liefern damit nicht nur ein aktuelles Bild der Situation, sondern lassen auch Vergleiche mit den vorangegangenen Studien zu. Somit lassen sich – mit der gebotenen Vorsicht – Rückschlüsse auf Branchenentwicklungen und -veränderungen ableiten.
TK-Tipp vom 12.03.2019