Personalentwicklung darf nicht ins Blaue hinein betrieben werden. Sie muss sich an den Unternehmenszielen orientieren. Da sind sich mittlerweile alle einig. Einmal mehr bewies dies der Learning Management Congress, den die imc AG in nunmehr fünfjähriger Tradition veranstaltete. Der Grundtenor der Saarbrücker Veranstaltung lautete: messen, bewerten - und dann erst handeln.
Ein wenig gemahnte es an einen Flickenteppich - das Programm des diesjährigen Learning Management Congresses, zu dem die imc AG vom 27. bis 28. Oktober 2004 nach Saarbrücken eingeladen hatte: Was die 158 Besucher an den beiden Veranstaltungstagen erlebten, war ein Kaleidoskop aktueller, die PE und die e-Learning-Branche betreffender Trends - von der alternden Gesellschaft bis hin zu der Bilanzierung des Intellectual Capital und dem Dauerbrenner-Thema Bildungscontrolling. Der Veranstalter wollte offenbar den extrem vielfältigen Herausforderungen Rechnung tragen, vor denen PE und e-Learning-Markt zurzeit stehen. An die Personalentwicklung werden zurzeit sogar ziemlich gegensätzliche Anforderungen herangetragen: So soll sie dem Einzelnen z.B. immer noch Entfaltungsspielräume bieten, gleichzeitig aber auch die Geschäftsleitung strategisch unterstützen. Ein Balanceakt, der vielen Firmen eher schlecht als recht gelingt.
Gleich der Eröffnungsvortrag von imc-Vorstandssprecher Dr. Wolfgang Kraemer ließ keinen Zweifel daran, dass PE in der Mehrzahl der Unternehmen immer noch eher ins Blaue hinein betrieben wird - obgleich sich die Firmen der Bedeutung eines durchdachten Bildungscontrollings bewusst sind. Kraemer zitierte aus einer Studie, die die imc AG kürzlich unter 48 der Top-500-Unternehmen durchgeführt hatte: Von diesen Betrieben betreibt nicht einmal ein Viertel Bildungscontrolling. Und diese beschränken sich immer noch v.a. auf Zufriedenheitsumfragen und Wissenstests.
Bewertung auf der Basis von Nebensächlichkeiten
'Die Bewertung der Maßnahmen findet weitgehend auf der Ebene von Nebensächlichkeiten statt: Die Unternehmen bringen in Erfahrung, ob der Trainer, der ein Seminar geleitet hat, ein netter Typ war - und das war’s dann', kritisierte Kraemer. Der Abgleich von Kennzahlen, der Einsatz der Balanced-Scorecard oder gar eine Analyse des ROI findet dagegen laut Studie unsystematisch bzw. gar nicht statt. Folglich müssen Personaler bei der Beantwortung der Frage, inwiefern ihre PE-Maßnahmen denn nun tatsächlich zur Verbesserung der Leistungsprozesse im Unternehmen beitragen, immer noch passen - was ihr Standing nicht gerade verbessert. Da ist es kein Wunder, dass sich einem Teilnehmer ein enervierter Stoßseufzer entrang: 'Ich würde gerne mal wissen, ob auch andere Bereiche im Unternehmen ständig um ihre Daseinsberechtigung kämpfen müssen...'
Die PE: Ein esoterischer Club?
Dr. Sabine Seufert, Geschäftsführerin des Swiss Centre for Innovations in Learning (SCIL) der Uni St. Gallen, ging in ihrem Beitrag auf solche Nöte der Personaler ein. Sind diese nämlich strategisch aufgestellt, werden sie von Seiten der Controller gleichwohl oft noch misstrauisch 'als esoterischer Club mit Online-Shop, sprich: e-Learning', beäugt. Als Club, der am besten von Externen kontrolliert werden sollte, so Seufert. Das Controlling-Feld zu räumen und anderen zu überlassen, ist aus Sicht der Wissenschaftlerin indes das Ungeschickteste, was Personaler tun können. Sie sollten vielmehr die Regeln (mit-)gestalten. Tun sie dies nicht, besteht z.B. die Gefahr, dass personalentwicklungsunkundige Controller unsinnige Kennzahlen definieren oder Scheinzusammenhänge generieren. Ein solcherart missglücktes Controlling könnte die Einwände, die Personaler ohnehin gegen das Thema auf Lager haben, bestätigen - etwa, dass sich der Nutzen von Bildungsprozessen nun mal nicht bemessen lässt. Die Erfahrung, dass Con-trolling ja nicht nur Leistungsnachweise erbringt, sondern auch hilft, Bildungsprozesse besser zu steuern und damit ihre Qualität zu erhöhen, entginge ihnen damit.
Weiterbildung lohnt sich nur für loyale Mitarbeiter
Allerdings reicht es nicht, die Personalentwickler einzubinden. Schon die Bildungsprozesse müssen von vornherein so angelegt sein, dass sie ein wirkungsvolles Controlling in all ihren Phasen - von der Bedarfsermittlung bis hin zur Evaluation - zulassen, betonte imc-Senior Consultant Dr. Christoph Meier. In seinem Vortrag stellte er ein von imc aufgelegtes, LMS-unterstütztes Rahmenmodell fürs Bildungscontrolling vor, das Dokumentation und Kontrolle auf allen Ebenen des Bildungsprozesses vorsieht: z.B. Lernerfolgs- und Akzeptanzkontrollen, Transferkontrollen, kennzahlenbasierte ROI-Analysen und sogar den Abgleich, inwieweit der Bildungsprozess das Unternehmen dabei unterstützt, rechtlichen Rahmenbedingungen u.ä. - sprich: Compliance-Anforderungen - gerecht zu werden.
Allerdings lohnt selbst das ausgefeilteste Bildungskonzept nur, wenn die Mitarbeiter längere Zeit im Betrieb bleiben - weshalb auch das Thema 'Mitarbeiterbindung' auf der Agenda stand - vertreten durch Fred G. Becker, BWL-Professor der Uni Bielefeld. Becker erinnerte da-ran, dass PE heute unter verschärften Bedingungen stattfindet: Einerseits wollen die Firmen Mitarbeiter halten, andererseits schrecken sie vor Massenentlassungen nicht zurück. Die Angestellten vergelten dies, indem sie weniger loyal sind. Gegensteuern können Unternehmen durch eine umsichtige Personalarbeit, die Leistungsträgern und Talenten vielfältige Chancen zur persönlichen Entwicklung bietet.
Intellectual Capital bilanzieren
Insbesondere Wissensunternehmen kann der Verlust ihrer Mitarbeiter teuer zu stehen kommen, ist das Intellectual Capital doch deren wichtigster Vermögensbestandteil - den sie bislang allerdings kaum beziffern können. Mit einem Tool-Set, das Ulrich Schnabel vom Fraunhofer Institut Arbeitswirtschaft und Organisation, Stuttgart, auf dem Kongress vorstellte, könnte sich dies jedoch ändern: Das Set enthält Instrumente, die die visuelle Darstellung, Analyse, Bewertung und Steuerung intellektuellen Kapitals unterstützen. Firmen sollen mit dem Tool abschätzen, wie gut sie darin sind, Intellectual-Capital-Management zu betreiben - also implizites Wissen in offizielles Wissen zu transferieren.
Führungsperformance erst messen, dann steigern
Messen, bewerten und erst dann intervenieren - das ist neuerdings auch in der Führungskräfteentwicklung oberstes Ziel. Mario Vaupel, Chef der ERGO Management Akademie, stellte ein entsprechendes Tool vor: das 'Leadership Asset System', mit dem u.a. dezidiert ermittelt werden kann, wie Führungskräfte mit ihrer Leistung dazu beitragen, dass ihre Firma spezifische Geschäftsziele erreicht. Das Besondere an dem Tool: Es verknüpft Persönlichkeitseigenschaften (etwa Zielorientierung) mit bestimmten, nachprüfbaren Führungsaktivitäten (z.B. Ziele vereinbaren) und betrachtet beides im Kontext spezieller Aufgabenfelder. Die so erzielten Ergebnisse zeigen, wie die Führungskräfte gefördert werden müssen, damit sie die zur Erreichung der Geschäftsziele erforderliche Performance erbringen können.
Manager: High-Tech beim Lernen bevorzugt
Dass Führungsleistung jedoch zu einem Großteil auch auf nicht-messbaren Eigenschaften wie Vertrauenswürdigkeit, Geradlinigkeit und Bescheidenheit fußt, daran erinnerte der prominenteste Kongress-Redner: Alt-Unternehmer und Club-of-Rome-Mitglied Professor Dr. Klaus Steilmann zeichnete ein Bild des Managers der Zukunft: wertebewusst, sozialkompetent, vorausschauend und interkulturell orientiert - was mitunter manche neue Kompetenz erfordert. 'Englischkenntnisse werden künftig nicht mehr ausreichen', ist sich Kosmopolit Steilmann sicher.
Das heißt: Es kommen neue Lernaufgaben auf die Führungskräfte zu. Dass Manager durchaus willig sind zu lernen, ließ Dr. Frank Habermann, Director Consulting bei imc, die Zuhörer bei seinem Vortrag über die Ergebnisse einer Studie unter 500 Führungskräften wissen. Allerdings legen Manager laut Studie viel Wert darauf, ereignisbezogen und kurzfristig zu lernen. Denn Lernen ist für sie ein sehr weitgefasster Begriff, der sich kaum von dem der Informationsbeschaffung trennen lässt. Zudem gilt für sie das Motto: 'High-Tech or No-Tech'. Will heißen, der Qualitätsanspruch der Führungskräfte an technische Lernmittel ist sehr hoch. Lassen diese zu wünschen übrig, sagen Manager lieber der schönen neuen Lernwelt Adieu und setzen auf traditionelle Lernformen.