Eltern nutzen sie bei ihren Kindern, Lehrer bei ihren Schülern – die Rede ist von den so genannten 'teachable moments', jenen Zeitpunkten, die für pädagogisches Wirken optimal sind. Diese Momente gibt es im Leben von Managern viel zu selten, wie Wolfgang Looss auf dem Coaching-Kongress Mitte Oktober 2008 in Potsdam erklärte. Er plädierte für ein Coaching, das Managern neue, bislang tabuisierte 'teachable moments' beschert.
'Oh, das kann ich gar nicht'. Wenn ein Manager diesen Satz denkt, ist er von der Phase unbewusster Inkompetenz in die Phase der bewussten Inkompetenz gewechselt. Eine Phase, die besonders wertvoll ist. Diese Überzeugung vertrat Wolfgang Looss auf dem Coaching-Kongress Mitte Oktober 2008 in Potsdam. Der Berater aus Weiterstadt zeigte sich überzeugt: Diese Phasen sind die 'teachable moments' im Leben eines Managers. 'Die Führungskraft merkt, dass sie mit dem, was sie hat, was sie kann, nicht in die Performanz kommt und ist daher offen für Neues', erläuterte Looss.
Das Konzept der 'teachable moments', das der Coaching-Pionier vor großer Zuhörerschaft erläuterte, stammt eigentlich aus der Pädagogik. 'Coaching hat in vielen anderen Disziplinen geklaut', begründete Looss, warum er sich mit der Entwicklungspsychologie von Kindern und Jugendlichen auseinandergesetzt hat, um aussichtsreiche Ansätze für Interventionen im Coaching von vor allen Dingen reflexions-unbewussten Managern zu entdecken. Laut dem erfahrenen Berater gibt es im Leben eines Managers nur drei erlaubte 'teachable moments': (1) Die Übergänge, Transitions genannt. Das sind jene Coachinganlässe, die kaum Akzeptanzwiderstände erzeugen, etwa die ersten 100 Tage in einem neuen Job. (2) Das Scheitern, die 'lessons learned', bei denen heute regelmäßig Auswertungslernen stattfindet. (3) Vor extrem wichtigen, großen Entscheidungen. In diesen Fällen ist akzeptiert, dass sich Manager Hilfe holen.
Das Nicht-Wissen von Managern ist tabuisiert
Neben diesen legalisierten 'teachable moments' hat Looss jedoch weitere Anlässe zum Lernen bzw. Coaching ausgemacht, die in unserer Kultur kaum gestattet sind: (4) Die Momente des Zweifels, der Ambivalenz. (5) Den Moment der Ratlosigkeit, das Gefühl der Führungskraft, nicht weiter zu wissen. (6) Die intellektuelle Demut, die er verstanden wissen will als die Auseinandersetzung mit der eigenen Begrenztheit. (7) Das Staunen, jenen Moment, wo wir – wie Looss es formulierte – 'aussehen wie ein krankes Pferd'.
Nach Beobachtungen des Coachingaltmeisters sind die letztgenannten Momente in der Lebens- und Arbeitssituation des Managers kaum verfügbar. 'Sie liegen nahe an der Schamgrenze', begründete Looss das Tabu. Der Grund: Manager sind entwöhnt, zuzugeben, dass sie an einem gewissen Punkt, in einer gewissen Situation nicht weiterwissen. Laut Looss sind aber gerade die Führungssituationen in unserer heutigen Welt von Erstmaligkeit und Unberechenbarkeit geprägt. Er plädierte in Potsdam daher dafür, im Coaching die Führungskräfte dazu einzuladen, mehr darüber zu erzählen, wie es sich anfühlt, nicht weiterzuwissen, keine schnelle Antwort parat zu haben und nicht sofort eine Lösung präsentieren zu können. Seiner Ansicht nach sollte das Coaching die Gelegenheit und den Raum bieten, die eigene Begrenztheit zu erleben und zu akzeptieren. Daraufhin könne der Coach den Klienten sein Inneres anschauen lassen: die Wünsche, Träume, Absichten, Ängste. Looss zeigte sich davon überzeugt, dass sich Coaching dahingehend verändern muss, dass es nicht länger der 'schnellen Erledigung', dem einfachen 'Fitmachen' dient. Vielmehr sei heute eine wichtige Aufgabe von Coaches, aus den tabuisierten 'teachable moments' legalisierte zu machen.