Das neue IT-Weiterbildungssystem stellt sich als intransparent heraus. So haben die IHKn Zertifikate für IT-Spezialisten vergeben, die gar nicht den Richtlinien des neuen Systems entsprechen. Nun gibt es eine Zertifizierungsstelle der Kammern, bei der bald die 'richtigen' IT-Zertifizierungen zu erwerben sind.
Für die IHK Cert GmbH, Düsseldorf, ist am 4. Februar 2004 Stichtag. Dann nämlich soll die Zertifizierungsstelle der Industrie- und Handelskammern in Nordrhein-Westfalen von der Trägergemeinschaft Akkreditierung (TGA) akkreditiert werden. Die IHK Cert darf dann bundesweit Prüfungen nach dem neuen IT-Weiterbildungssystem abnehmen und Personenzertifizierungen für die in diesem Rahmen entwickelten 29 IT-Spezialistenprofile vergeben. Sie ist damit neben der Cert-IT, Berlin, die zweite Zertifizierungsstelle für IT-Spezialisten nach dem neuen Weiterbildungssystem.
Etikettenschwindel bei den IHKn?
Verwirrend in diesem Zusammenhang ist, dass die IHKn in der Vergangenheit bereits Zertifikate für die neuen IT-Profile vergeben haben. Das Fraunhofer Institut für Software und Systemtechnik (ISST), Berlin, das die neuen IT-Spezialisten-Profile entwickelt hat, sprach von Etikettenschwindel: 'Bei den Qualifizierungen der IHKn wird vorwiegend Theorie vermittelt. Eine Qualifizierung zum IT-Spezialisten nach dem neuen Weiterbildungssystem verlangt aber eine arbeitsplatznahe Weiterbildung wie sie z.B. mit dem vom ISST erarbeiteten Umsetzungskonzept APO (Arbeitsprozessorientierte Aus- und Weiterbildung) verwirklicht werden kann', begründet Irmhild Rogalla, Projektleiterin APO-IT beim ISST, ihre Kritik an dem Vorgehen. Kernpunkt von APO ist das Lernen im Projekt, unterstützt durch einen Lernprozessbegleiter und einen Fachberater.
'Die bislang von der IHK vergebenen Zertifikate haben größtenteils den Status einer Teilnahmebescheinigung für klassische IT-Weiterbildungskurse', entgegnet Thomas Klemme, Mitgeschäftsführer der IHK Cert. Dass die Kammern dabei die Profilbezeichnungen des neuen IT-Weiterbildungssystems verwandt haben, findet allerdings auch er 'unglücklich'. 'Ein Etikettenschwindel ist aber keineswegs beabsichtigt gewesen', versichert er.
Eine Personenzertifizierung kann nicht jeder vergeben
Der Streit um die IHK-Zertifikate spiegelt einmal mehr das Dilemma wider, das der ungeschützte Begriff 'Zertifikat' mit sich bringt. Wichtig zu wissen ist: Mit einem der neuen Profilbezeichnungen zum IT-Spezialisten darf sich nur schmücken, wer eine Personenzertifizierung bei einer von der TGA akkreditierten Zertifizierungsstelle durchlaufen hat. Für diese Zertifizierung muss der Anwärter ein Projekt bei der Zertifizierungsstelle anmelden sowie einen Lernprozessbegleiter und einen Fachberater benennen. Ist das geplante Projekt bezüglich Umfang und Tiefe für die gewünschte Spezialisten-Zertifizierung geeignet, erhält der Kandidat die Genehmigung zur Durchführung.
Nach spätestens zwei Jahren muss der Kandidat der Zertifizierungsstelle eine Projektdokumentation überreichen. Fällt deren Prüfung positiv aus, wird er eingeladen, sein Projekt zu präsentieren und in einem Fachgespräch zu konkretisieren. Danach erhält er die Zertifizierung.
Mittelfristig sollen alle Kammern arbeitsplatznah ausbilden
Die Qualifizierung für die Zertifizierung besteht demnach im Projekt und der Lernprozessbegleitung. 'Es gibt durchaus IHKn, deren Angebote diesem Konzept entsprechen', betont Thomas Klemme. Die IHK Köln z.B. habe IT`ler ausgebildet, die sich nun bei der IHK Cert zur Personenzertifizierung angemeldet haben. Das heißt: Die Kammer hat externe Lerncoaches gestellt und die Lernprozessbegleitung für die IT`ler übernommen.
Insgesamt befindet sich das Ausbildungsniveau der Kammern für IT-Spezialisten aber auf sehr unterschiedlichem Niveau. 'Manche IHKn setzen das Konzept des arbeitsplatznahen Lernens schon eins zu eins um, andere brauchen noch ein Feintuning, und manche haben in Sachen projektbezogene Weiterbildung noch gar nichts zu bieten', sagt Yorck Sievers, Leiter des Referats IT und Medien Aus- und Weiterbildung beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK). Mittelfristig sollen jedoch alle Kammern IT-Spezialisten so qualifizieren, dass die Teilnehmer eine Personenzertifizierung erwerben können.
APO ist nur eine Möglichkeit für arbeitsplatznahe Weiterbildung
APO hält Sievers zu diesem Zweck jedoch nur für bedingt geeignet. 'Auch wenn Lernprozessbegleiter und Fachberater in der Praxis vorgesehen sind - das Konzept lässt die Teilnehmer zu sehr alleine', sagt er. Der DIHK-Vertreter hält eine Mischform zwischen Projektlernen und Präsenzseminaren für sinnvoll. Bei Bedarf könnte so fehlendes Wissen in traditionellen Schulungen zugeschossen werden, zudem könnte den Teilnehmern vermittelt werden, wie die für die Personenzertifizierung notwendige Projektdokumentation überhaupt anzufertigen ist. 'APO ist schließlich nur eine von vielen Möglichkeiten für arbeitsplatzorientierte Weiterbildung', stellt Sievers klar.