Newsticker

Vergabepolitik der BA: 'Qualität spielt keine Rolle'

Die öffentlich geförderte berufliche Aus- und Weiterbildung sorgt weiter für Aufregung unter den
Bildungsanbietern. Anlässlich der Learntec Mitte Februar 2004 machten einige Anbieter ihrem Unmut über die Vergabepolitik der Bundesagentur für Arbeit Luft.

Zunächst war Prof. Dr. Michael Nagy noch gefasst. Ruhig zählte er die politisch gewollten wichtigsten Stichpunkte des Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt auf: die nach einer Weiterbildung geforderte Eingliederungsquote Arbeitsloser von 70 Prozent. Die nachzuweisenden Qualitätssicherungsinstrumente von Bildungsträgern, die schwarze Schafe ausgliedern sollen. Und die Bildungsgutscheine, die Wettbewerb und Transparenz schaffen wollen. 'Wir haben dies alles ausdrücklich begrüßt, doch wie sieht heute die Praxis aus?', fragte der Vorstandsvorsitzende der SRH Learnlife AG mit Hauptsitz in Heidelberg schon etwas weniger ruhig. Und er wurde zunehmend wütender, während er die zurzeit praktizierte Vergabepolitik der Bundesanstalt für Arbeit (BA) erläuterte.

Dumpingpreise kennzeichnen den Markt

Nagy war einer von vier Vertretern privater Bildungsträger, die anlässlich der Messe Learntec ihren Unmut über die BA loswerden wollten. 'Die öffentlich geförderte berufliche Aus- und Weiterbildung im Rahmen von SGB III scheint einem von Dumpingpreisen gekennzeichneten Markt geopfert zu werden, in dem Qualität eine immer kleinere Rolle spielt', urteilte dann auch Dr. Peter Littig, Direktor Bildungspolitik und -strategie bei der Dekra Akademie GmbH, Stuttgart.

Den Anlass für die Wut der Bildungsträger hatte u.a. eine kürzlich erfolgte Ausschreibungsrunde der BA gegeben: Offenbar hatte ein Anbieter den Zuschlag bekommen, der die Trainingsmaßnahme mit einem Stundensatz von 89 Cent pro Teilnehmer kalkuliert hatte. 'Dies heißt, dass man bei 16 Teilnehmern nicht einmal 15 Euro pro Stunde zur Verfügung hat, um einen ordentlich ausgebildeten Dozenten zu bezahlen, für das Lehrmaterial zu sorgen, eine EDV-Ausstattung zu stellen und sonstige Kosten zu decken', rechnete Nagy vor, warum unter diesen Umständen seiner Ansicht nach keine Qualität geboten werden kann. Erstaunen rufen derartig geringe Stundensätze nicht zuletzt deshalb hervor, weil sie die von der BA festgesetzten Bundesdurchschnittskostensätze weit unterschreiten. Diese Durchschnittskostensätze sind Richtwerte, wie viel eine Teilnehmerstunde je nach Maßnahme kosten darf, und haben eigentlich nichts mit den Ausschreibungen zu tun. Sie werden herangezogen bei der Zulassung von Trägern und Maßnahmen, für die Bildungsgutscheine ausgegeben werden. Und doch zeigen diese Richtwerttabellen, was die BA für realistisch hält: Für einen IT-Lehrgang ist das zum Beispiel ein Satz von 5,03 Euro pro Teilnehmer.

Zu wenig Bildungsgutscheine vergeben

Dass die Qualität der Weiterbildungen zu sinken droht und sich die Bildungsträger mit Dumpingpreisen in den sicheren Ruin katapultieren, liegt jedoch nach Ansicht der betroffenen Anbieter nicht nur an der veränderten BA-Einkaufspolitik durch die Ausschreibungen, sondern auch an den Bildungsgutscheinen. 'Das Kontingent der ausgestellten Bildungsgutscheine lässt eine sinnvolle und bei Erbringung einer Mindestqualität kostendeckende Maßnahmedurchführung nicht zu', erläuterte Lothar Beier, Geschäftsführer der Sprache und Bildung GmbH, Gießen. Ein Beispiel: Angenommen, eine regionale Arbeitsagentur stellt für eine Weiterbildung zehn Bildungsgutscheine in ihre Zielplanung ein und vergibt sie auch. Die Inhaber der Gutscheine landen - wieder angenommen - bei drei Anbietern. Folge: Mit nur drei bis vier Teilnehmern kann kein Anbieter die Maßnahme durchführen - es sei denn, er will in die Insolvenz steuern. Die Maßnahme kommt also nicht zustande, und der Arbeitslose bleibt unversorgt. Die andere Möglichkeit: Die Anbieter einigen sich untereinander, wer von ihnen den Kurs mit zehn Teilnehmern durchführen soll. Das allerdings widerspricht dem Ziel der Bildungsgutscheine - nämlich den Wettbewerb zwischen den Anbietern zu fördern. Eine Tatsache, die von den zuständigen Ministerien billigend in Kauf genommen wird.

Das traurige Fazit der Bildungsträgerrunde zog Dirk Mutters von der dm Unternehmensberatung, Berlin: 'Die Anbieter werden gezwungen, Kosten einzusparen, wo es nur geht. Bei einem Produkt wie der Bildung, wo mehr als 52 Prozent der Kosten auf Personal entfallen, kann dies nur durch Einsparungen im Personalbereich erfolgen.' Kurzfristig verlören zwanzigtausend Mitarbeiter ihren Arbeitsplatz bei den Bildungsanbietern, so Mutters, langfristig wohl eher einhundertausend. Zynisch kommentierte der auf Beratung von Bildungsträgern spezialisierte Unternehmer: 'Und diese landen dann in irgendwelchen Trainingsmaßnahmen, die von völlig unqualifizierten Trainern zu Dumpingpreisen angeboten werden.'
Autor(en): (nbu)
Quelle: Training aktuell 04/04, April 2004
Wir setzen mit Ihrer Einwilligung Analyse-Cookies ein, um unsere Werbung auszurichten und Ihre Zufriedenheit bei der Nutzung unserer Webseite zu verbessern. Bei dem eingesetzten Dienstleister kann es auch zu einer Datenübermittlung in die USA kommen. Ihre Einwilligung bezieht sich auch auf die Erlaubnis, diese Datenübermittlungen vorzunehmen.

Wenn Sie mit dem Einsatz dieser Cookies einverstanden sind, klicken Sie bitte auf Akzeptieren. Weitere Informationen zur Datenverarbeitung und den damit verbundenen Risiken finden Sie hier.
Akzeptieren Nicht akzeptieren
nach oben Nach oben